Erkelenz Abriss wegen Bergschäden

Erkelenz · Der Tagebaubetreiber hat ein Haus an der Beecker Straße in Erkelenz gekauft, weil es einen großen Bergschaden aufweist. Stadt Erkelenz und RWE Power ordnen das Problem und die Sorgen benachbarter Hausbesitzer ein.

Die heruntergelassenen Rollläden vermitteln den Eindruck, die Bewohner des Einfamilienhauses an der Beecker Straße in Erkelenz befänden sich im Urlaub. Doch dieser Eindruck täuscht. Das Haus steht leer, wie auch das namenlose Klingelschild zu erkennen gibt. Die Bewohner haben das Haus verkauft und mussten ausziehen. Gelegentlich gibt es Interessenten, die dieses Haus kaufen oder mieten wollen. Doch der neue Eigentümer verkauft nicht, er vermietet allenfalls, "aber nur für maximal drei Jahre", erzählen Nachbarn. Dann nämlich würde das Haus abgerissen, haben sie gehört. Das Haus sei quasi irreparabel.

Der Eigentümer würde eher von Rückbau als Abriss sprechen. Der Eigentümer, das ist RWE Power. Der Konzern hat das Haus gekauft, da es Bergschäden aufweist. Es ist nicht die einzige Immobilie an der Beecker Straße, die betroffen ist. Nachbarn, die ihren Namen nicht öffentlich lesen wollen, berichten, dass sie seit Jahren permanent mit RWE in Kontakt stehen und dass das Unternehmen regelmäßig in dem Haus Schäden repariert. Interessanterweise hatte sich RWE sehr schnell zu seiner Verantwortung bekannt. Anders als der Verband der bergbaugeschädigten Haus- und Grundstückseigentümer nach einer ersten Besichtigung sah es sich als Verursacher der Bergschäden.

"Auf der gegenüberliegenden Seite der Beecker Straße gibt es die Risse in den Wänden und die Senkungen der Bodenplatte nicht", sagt ein Betroffener. "Nur auf unserer Seite sind einige Häuser von der Beecker Straße bis hin zur Kehrbuscher Straße betroffen." Als er das Haus 2003 im Rohbau erstand, war von möglichen Bergschäden keine Rede. Erst jetzt, ein knappes Dutzend Jahre später, zeigt sich das Problem in seiner ganzen Problematik: gebrochene Fliesen, Risse in den Tapeten, eine Delle im Kellerboden. "Unser Haus steht auf dem sogenannten Wegberger Sprung", weiß der Rentner. "Davon hat uns aber niemand etwas gesagt, als wir das Grundstück gekauft haben." Durch die Sümpfungsmaßnahmen für den Tagebau Garzweiler II gebe es tektonische Verschiebungen. Welche Auswirkungen noch eintreten, wisse er nicht. Eventuell wird das Haus einmal nicht mehr reparierbar. Alternativen für dieses Haus wie auch für andere hat RWE angeboten: Abriss und Neubau einige Meter versetzt in den Garten hinein, eine Lagerung des Hauses auf Federn oder ein Umzug. Die Begeisterung für diese Vorschläge hält sich in Grenzen, wenngleich der Mann betont, dass er und seine Frau gut mit RWE auskommen: "Die sind immer fix, wenn wir einen Schaden melden."

"Wir sind hier heimisch geworden", sagt die Ehefrau. Sie möchte am liebsten auf diesem idyllischen Fleckchen Erde bleiben. Für sie ist unverständlich, dass vor gut 20 Jahren niemand wusste, was auf diesem Grundstück mit diesem Haus passieren wird. Und sie stellt eine naheliegende Frage: "Was ist mit den Umsiedlern, die nördlich von uns in Richtung Rath-Anhoven eine neue Bleibe bauen müssen? Kann denen das auch passieren, dass sie nach 15 Jahren wegen Bergschäden wieder weichen müssen?"

"Keine Sorge", beruhigt der Technische Beigeordnete der Stadt Erkelenz, Ansgar Lurweg. "In dem dortigen Gebiet gibt es keine tektonischen Störungen." Davon sind inzwischen einige in Erkelenz bekannt, darunter auch der Wegberger Sprung. Das Problem ist dabei, dass eine tektonische Störung nur dann als aktiv erkannt werden kann, wenn sie aktiv wird. Es gibt keine Vorwarnung. So ist es auch beim Wegberger Sprung, der sich quer durch Erkelenz zieht über die Beecker Straße, Kehrbuscher Straße, Anton-Heinen-Straße und nördlich des Bahnhofs bis hin zum Wockerather Weg. Auswirkungen hat diese Verwerfung unter anderem auf das Baugebiet an der Dr.-Jack-Schiefer-Straße. "Dort müssen einige Grundstücke unbebaut bleiben." Es sei manchmal eine Frage von wenigen Metern, ob ein Haus betroffen sei oder nicht; so wie jetzt an der Beecker Straße. Als in den 1980er Jahren der Bebauungsplan für dieses Gebiet aufgestellt wurde, konnte niemand ahnen, dass es dort zu Bergschäden kommen könnte. Insofern könne man den damaligen Entscheidungsträgern keine Vorwürfe machen, erklärt Lurweg.

Auch RWE Power geht davon aus, dass an den Umsiedlungsorten keine Bergschäden auftreten können. Die Annahme basiert auf einem permanenten Monitoring, wie Pressesprecher Guido Steffen erläutert. Außerdem seien die Gebiete weit vom Wegberger Sprung entfernt. Zu dem Ankauf des Hauses an der Beecker Straße durch RWE meint er, dass ein derartiger Ankauf nur die letzte aller Lösungen sein könne: "Unser Ziel ist es, dass die Menschen in ihren Wohnungen bleiben können." Wichtig seien einvernehmliche Lösungen mit den Betroffenen: "Aber wenn nichts mehr geht, bleibt schlussendlich nur noch ein Ankauf." Vorrangig seien Schadensbeseitigung und Schadensbegrenzung. Bei dem gekauften Haus habe es eine Besonderheit gegeben: "Es handelt sich um einen relativ komplizierten Bau, und es bestand schon ein relativ großer Schaden. Eine Sicherung des Gebäudes wäre sehr schwierig gewesen, so dass ein Abriss unvermeidbar sein wird."

Erst im vergangenen Jahrzehnt seien alle Beteiligten hinsichtlich des Wegberger Sprungs schlauer geworden. "2003 war der Wegberger Sprung noch nicht aktiv", sagt Steffen. Deshalb konnte damals keine Aussage dazu gemacht werden.

(kule)
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