Rees Zu Besuch im alten Kerker

Rees · Der 600 Jahre alte Weiße Turm wurde restauriert und kann jetzt wieder besichtigt werden.

 Heinz Wellmann, Bürgermeister Christoph Gerwers und Kulturamtsleiter Ludger Beltermann vor dem Turm.

Heinz Wellmann, Bürgermeister Christoph Gerwers und Kulturamtsleiter Ludger Beltermann vor dem Turm.

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An den Pranger, den Heinz Wellmann in Heimarbeit gebaut hatte, wollte sich Bürgermeister Christoph Gerwers dann lieber doch nicht stellen. "Das Foto werde ich nie mehr los", entschuldigte er sich bei den Fotografen, die zum Pressetermin am Weißen Turm gekommen waren. Das 600 Jahre alte Bauwerk, das auch "Wyskirchenturm" genannt wird, diente früher nicht nur zur Bewachung der unteren Schleuse von Rees, sondern wurde bis ins 18. Jahrhundert hinein auch als Gefängnis genutzt.

Für künftige Stadtführungen haben Heinz Wellmann und Mitarbeiter des städtischen Bauhofs den Kerker wieder hergerichtet und für Besucher gesichert. Die Steine über der Holztür wurden neu gemauert, Absperrungen montiert, der Betonboden geglättet. Metzgermeister Ernst August Voss spendete ein paar extra große Knochen, eine Schlosserei an der Rauhe Straße lieferte die Scharniere für die beiden Pranger.

 Stadtführer Heinz Wellmann im Inneren des Turms

Stadtführer Heinz Wellmann im Inneren des Turms

Foto: Michael Scholten

Stilecht, nämlich mit Wasser und Brot, eröffnete Heinz Wellmann nun als "Torwächter für Rees" seinen neuen Arbeitsplatz. Die Themenführung "Keller - Kerker - Kasematten", die das Gefängnis, die sonst verschlossene Kasematte unter dem Rhein Palais und viele andere Verteidigungsanlagen umfasst, ist ab sofort privat buchbar. Sie wird aber auch am Samstag, 28. Mai, als öffentliche Tour angeboten. Erwachsene zahlen fünf Euro, Kinder bis zwölf Jahre sind gratis dabei. Für sie plant Wellmann auch eine spezielle Führung.

Stolz verweist Kulturamtsleiter Ludger Beltermann auf 304 Stadtführungen, die allein im Jahr 2015 durchgeführt wurden. Heinz Wellmann gehört zweifelsfrei zu den meist beschäftigten und kreativsten Stadtführern. Der Vorsitzende der "Deutschen Gilde der Nachtwächter, Türmer und Figuren" ist in Rees als Nachtwächter, als Kastellan der Burg Empel und als Hein vom Rhein im Einsatz, bald führt er auch als Mesner von Rees in die Geschichte der katholischen und evangelischen Kirche ein. Seine Idee, das historische Stadtgefängnis zu reaktivieren, kam im Rathaus gut an. "Der Weiße Turm war seit dem Tag des offenen Denkmals im Jahr 2007 nicht mehr für Besuchergruppen geöffnet", sagt Kulturamtsleiter Ludger Beltermann. Künftig soll das Gefängnis auch bei der Führung "Reeser Stadtbefestigung und Unterwelt" und bei ausgewählten kulturellen Veranstaltungen zugänglich sein.

Die neue Aufmerksamkeit, die der 1410 erbaute Turm durch die Führungen erhält, will Ludger Beltermann nutzen: "Sobald der Haushalt verabschiedet ist, wollen wir einen Archäologen beauftragen, der das Bauwerk genauer erforscht und auch Ausgrabungen durchführt." Alle Erkenntnisse fließen dann in den Text einer Infotafel, die neben dem Turm errichtet werden und die derzeitige Messingtafel ersetzen soll.

Der Archäologe müsste dann auch herausfinden, ob Wellmanns Torwächter-Gewand inklusive des breitrandigen Hutes mit langer Straußenfeder historisch korrekt ist. Die Aufmachung stammt aus der Gemeinde Rothenburg ob der Tauber. "Ich war dort vor vier Jahren während der Festspiele als Stadtwache im Einsatz und habe das Gewand hinterher geschenkt bekommen", sagt Wellmann, der es nun in Rees einem neuen Zweck zuführt.

(ms)
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