Emmerich Zapflegende sagt Tschüss

Emmerich · Heute ist letzter Tag für Fritz und Anita Kirschke an der Baustraße. Im neuen Jahr wird die Gaststätte "Zum Fritz" von einem Niederländer übernommen. Sie soll dann "Nachtschicht" heißen.

Knapp 30 Jahres seines Lebens stecken in diesen Wänden. Wände, die so manchen Kneipenschwank erzählen könnten. Wände, die mittlerweile merklich leerer geworden sind.

Denn wer einmal im "Fritz", der bekannten Kneipe mit Livemusik an der Baustraße, zu Gast war, weiß, was gemeint ist: Dutzende Hüte und Instrumente schmückten Decken und jede nur erdenkliche Ecke. Deko-Artikel, wohin das Auge blickt. Bilder, Schilder, Werbetafeln – den gelernten Dekorateur kann und konnte Fritz Kirschke nicht verbergen.

Und jetzt? Die Hüte-Sammlung steckt in mehreren blauen Säcken. Ein Schild "Verkauft" ist draufgeklebt worden. Überhaupt gleicht der hintere Teil der Kneipe eher einem Flohmarkt: Neben angelaufenen Blechblasinstrumenten gibt es hier auch Dutzende Ventilatoren, Lampen, Verstärker, Musikanlagen oder Boxen, die zum Verkauf stehen und die von den Hunderten Konzerten zeugen, die hier über die Bühne gingen.

Fritz Kirschke packt schon ein wenig die Wehmut, wenn er an den letzten Tag denkt, den er mit seiner Anita hier heute hinter der Theke stehen wird – wenn man vom Samstag für Stammgäste mal absieht. "Kneipe hat keine Zukunft mehr", sagt der Gastronom und zündet sich eine Filter an. Eine leichte Verbitterung ist dabei schon zu spüren.

Er hat einiges versucht

Denn neben den Konzerten, die laut Kirschke viele auswärtige Gäste, aber nur sehr wenige Emmericher anzogen, hat er so einiges versucht, um den Laden in Schwung zu halten. Ob Talentwettbewerbe, die neue Rheinpromenade als XXL-Wandschmuck – teilweise sogar in bewegten Bildern –, oder als Sitz des Emmericher Andrea-Berg-Fanclubs: An Ideen hat es dem 66-Jährigen nie gemangelt.

Und trotzdem: Für die vielen Stunden, die er gearbeitet und sich um die Ohren gehauen hat, hätte er sich manchmal einen volleren Laden gewünscht. Das sagt er zwar nicht. Das spürt man aber.

Wie auch immer: Das Haus, in dem die Kult-Kneipe ist, wurde verkauft. "Ich hätte noch drei, vier Jahre weiter machen können," sagt Kirschke, der immer wie aus dem Ei gepellt hinter der Theke stand. Doch er winkt ab. Kirschke hatte offenbar keine Lust mehr, das Dickicht aus Verträgen zwischen altem und neuem Eigentümer sowie Brauereilieferverträgen zu lichten. Da arbeitet er lieber noch ein paar Jahre bei Kirschke-Werbung, dem Geschäft seines Sohnes, mit.

Zum Jahresbeginn wird dann der neue Eigentümer, ein Niederländer, seine Frau hinter dem Tresen postieren. Wie das Konzept für die "Nachtschicht", so der neue Name an der Baustraße, aussieht, weiß Fritz Kirschke nicht.

Es hat fast den Eindruck, als würde es ihn auch nicht mehr sonderlich interessieren.

(RP)
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