Emmerich Weitere Heimkinder als Opfer anerkannt

Emmerich · Es sei "die Hölle" gewesen im St.-Elisabeth-Kinderheim, sagen der ehemalige Bewohner Detlef Rudolph und seine Brüder. Ihre seelische Not nach den Kindheitserlebnissen ist offiziell bestätigt. Sie kritisieren die Waisenhausstiftung.

 Das St.-Elisabeth-Heim. Träger ist die Waisenhausstiftung.

Das St.-Elisabeth-Heim. Träger ist die Waisenhausstiftung.

Foto: mvo

Nach dem ehemaligen Heimkind Detlef Rudolph haben es inzwischen zwei weitere seiner Geschwister schriftlich, dass sie in ihrer Kindheit zwischen 1972 und 1975 im Emmericher St.-Elisabeth-Heim brutal misshandelt wurden.

Dem heute 51-jährigen Detlef Rudolph wurde im vergangenen Jahr eine posttraumatische Belastungsstörung bescheinigt. Er erklärt, er sei in dem Heim brutal misshandelt worden (wir berichteten). Die Waisenhausstiftung als Träger meint, es sei nicht mehr aufzuklären, was vor 40 Jahren geschehen sei.

Nun hat auch der heute 52-jährige Bruder Karl Heinz Rudolph den Bescheid über seine Anerkennung als Opfer bekommen. "Es waren drei Jahre, die die Hölle waren", erinnert er sich an seine Zeit im St.-Elisabeth-Heim: "Jetzt haben wir es staatlich bescheinigt."

Auch der Älteste, Klaus-Dieter Rudolph, wurde nach Feststellung des Landschaftsverbands Rheinland — das Papier liegt der Redaktion vor — in der Einrichtung mit Faustschlägen traktiert, sogar durch eine Glasscheibe gestoßen. Ein viertes Verfahren, das eine jüngere Schwester der drei Brüder betrifft, läuft.

Detlef Rudolph, der den Fall ursprünglich an die Öffentlichkeit gebracht hat, kritisiert die Haltung der Waisenhausstiftung scharf: "Dort hat man von Anbeginn an die Vorwürfe schlicht weg negiert." Dabei sei es "eine Frechheit", zu behaupten, man habe keine verwertbaren Berichte. Und es sei "eine Farce", von "Einzelfällen" zu sprechen.

Tatsächlich führt Rudolph eine Reihe schriftlicher Zeugenaussagen von ehemaligen Heimkindern und Mitarbeiterinnen des Hauses an. Sie berichten von systematischer körperlicher und seelischer Quälerei mit sadistischen Zügen. "Und die tun heute so, als könnten sie sich nicht vorstellen, was damals passiert ist", klagt Rudolph die heute Verantwortlichen der Stiftung an. Vielmehr hätten diese sich einfach nicht damit befassen wollen.

Empört ist er über das, was der Geschäftsführer der Waisenhausstiftung, Hans-Jürgen Kraayvanger, im Oktober angedeutet hatte: Rudolph habe ihm in einem Telefonat gesagt, "dass ich auch noch lernen würde, was Schmerzen sind", so Kraayvanger damals. Das Telefonat habe es nicht gegeben, und schon gar nicht diese Aussage, versichert Detlef Rudolph. "Es ist mein tiefer Wunsch, dass kein anderer Mensch erlebt, was wir erleben mussten."

Er findet, dass mögliche Opfer aus dem St.-Elisabeth-Heim heute nicht aufgefangen werden. "Ich habe mit vielen Menschen aus Emmerich gesprochen, die gesagt haben: Wir gehen an die Sache nicht mehr ran, weil uns keiner glauben wird. Und das ist jetzt genau das, was die Waisenhausstiftung macht."

(RP)
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