Rees Reeser erinnern an Gräueltaten der NS-Zeit

Rees · Bei der Gedenkfeier an verfolgte und ermordete jüdische Mitbürger und niederländische Zwangsarbeiter ging der Blick auch in die USA.

 Während der Ansprache von Bürgermeister Christoph Gerwers hielten gestern viele Besucher inne.

Während der Ansprache von Bürgermeister Christoph Gerwers hielten gestern viele Besucher inne.

Foto: MArkus van Offern

Bürger und Besucher der Stadt Rees erinnerten bei einer Gedenkfeier an die jüdischen Mitbürger, die zwischen 1933 und 1945 verfolgt und ermordet wurden, und an die niederländischen Zwangsarbeiter, die im Winter 1944/45 in Arbeitslagern auf Reeser Stadtgebiet litten und starben. "Grausam und barbarisch" nannte Bürgermeister Christoph Gerwers diese beiden dunklen Kapitel der deutschen Geschichte, die auch in Rees ihre Opfer forderten.

Gerwers lobte das Engagement vieler Organisationen, die das Gedenken an diese Opfer wachhalten. Zugleich äußerte er sich aber besorgt über aufkeimende rechte Tendenzen und die Zerwürfnisse innerhalb der Europäischen Union. Sein Blick ging auch in die USA. Mit "plakativen, populistischen und zum Teil menschenverachtenden Parolen" habe der künftige Präsident Donald Trump den Wahlkampf gewonnen. Dies sei besonders tragisch in einer Zeit, in der die Menschen eigentlich aus den Fehlern der Vergangenheit lernen sollten.

Auch Bert Kuster, stellvertretender Bürgermeister der niederländischen Gemeinde Oude Ijselstreek, forderte dazu auf, sich für Frieden und Freiheit einzusetzen. Er erinnerte an die "erbärmlichen und menschenunwürdigen Umstände", unter denen mehr als 3000 niederländischen Zwangsarbeiter in den Lagern in Groin und Bienen leben mussten. Sie wurden im Dezember 1944 für Schanzarbeiten in Rees herangezogen. Jeder Zehnte von ihnen starb an Kälte, Hunger, Krankheit und Erschöpfung.

Jan de Louter, der die "Hölle von Rees" überlebte, zeigte sich dankbar, dass über die Jahrzehnte aus Feinden Freunde wurden und bat um eine Schweigeminute für die Opfer. Fred Hollaender war der Einladung nach Rees gefolgt, um über seinen Vater Eugen zu berichten. 1929 im Oberbergischen geboren, wanderte er in die Niederlande aus und gründete eine Rasierklingenfabrik in Apeldoorn, die auch eine Filiale in Bocholt hatte. Rasierklingen galten als "kriegswichtig", da Giftgasangriffe im Ersten Weltkrieg zeigten, dass Gasmasken nur bei glattrasierten Soldaten effektiv waren. Eugen Hollaender nutzte seinen Sonderstatus, um Nahrung und Kleidung in die Reeser Lager zu bringen und immer wieder Zwangsarbeiter als vermeintliche Spezialisten für die Produktion kriegswichtiger Güter in seine Fabriken zu holen. So entgingen mehrere hundert Männer dem sicheren Tod. "Was ich getan habe, war normal", pflegte Eugen Hollaender nach Angaben seines Sohnes stets zu sagen.

Bevor die Vertreter der Gemeinden, Vereine und Stiftungen Kränze am Gedenkstein niederlegten, sprach Bernd Schäfer das jüdische Totengebet Kaddisch. Er gedachte insbesondere der Jüdin Lenni Elbaum, die einst in Rees wohnte und vor vier Wochen im Alter von 93 Jahren in Israel starb, sowie Annie Wolff, die vor zwei Wochen mit 96 Jahren in New York starb. Pastor Norbert Stephan und Pastoralreferent Ludger Dahmen trugen Fürbitten vor und beteten mit allen Gästen das "Vater unser".

Im Anschluss trug Bernd Schäfer im Kolpinghaus aus den Memoiren von Dr. Ruth Schaffit vor. Deren Mutter war eine geborene Marcus und stammte aus Rees. Nach der Besatzung der Niederlande durch die Deutschen versteckte sich das Ehepaar Schaffit mit Tochter Ruth bei der aus Rees-Mehr stammenden Familie Bockting in deren Haus in Arnheim. So waren sie zweieinhalb Jahre in Sicherheit, bis sie nach der Befreiung durch die Alliierten ein neues Leben beginnen konnten.

(RP)
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