Emmerich Märtyrer Storm starb vor 75 Jahren

Emmerich · "Es warf uns eine wüste Hand ins düstere Gefängnis - nun leben wir von Wand zu Wand im wachsenden Verhängnis." Mit diesen verzweifelten Worten beginnt ein Gedicht, verfasst von Kaplan Gerhard Storm im Gefängnis in Düsseldorf-Derendorf.

 Gerhard Storm, im KZ gestorbener Priester, bei seiner erkennungsdienstlichen Erfassung durch die Gestapo in Düsseldorf 1942.

Gerhard Storm, im KZ gestorbener Priester, bei seiner erkennungsdienstlichen Erfassung durch die Gestapo in Düsseldorf 1942.

Foto: Archiv

Der Erziehungswissenschaftler Dr. Rüdiger Gollnick, der lange Jahrzehnte in Haldern lebte und jetzt in Bocholt wohnt, hat sich zusammen mit seiner Frau Monika intensiv mit der Geschichte des Märtyrers beschäftigt. Über den Kaplan, der 1888 in Sonsfeld bei Haldern geboren wurde und bis zu seiner Verhaftung wegen regimekritischer Predigten an der Emmericher St.-Aldegundis-Kirche wirkte, hatten die beiden bereits 1988 eine große Dokumentation veröffentlicht. Und sie recherchieren immer noch, fördern immer wieder Verschollenes zu Tage. Denn: "Ein Mann wie Gerhard Storm sollte nicht vergessen werden", sagt Rüdiger Gollnick.

Der RP hat er nun einen Text zugesandt, der mit einer Stimme in Replik auf Gerhard Storm beginnt: "Hätte er seinen Mund gehalten, wäre er auch nicht nach Dachau gekommen!"

Nach dem Tode Storms streicht die Lagerverwaltung des KZ Dachau den Häftling Nr. 32.281 aus ihrer Liste und meldet am 21.08.1942 an die Gestapo Düsseldorf und dann weiter nach Emmerich: "O.G. (Oben Genannter=Gerhard Storm) am 20.08.1942, 15.30 Uhr im hiesigen Lager an den Folgen von Darmkatarrh verstorben. Es wird gebeten, die Angehörigen (...) entsprechend den Anweisungen zu verständigen. Die Leiche wurde aus sanitären Gründen bereits eingeäschert und kann daher eine Besichtigung nicht mehr stattfinden."

Den konkreten Hintergrund schildert in einem Interview der Pallotinerpater A. in Eltville (Nähe Wiesbaden): "Storm, der schon in schlechter Verfassung ins KZ Dachau gekommen war, und ich mussten einen Kübel (= 50 Liter-Suppenkübel) schleppen. Storm klagte bald, dass er nicht mehr tragen könne: sein Herz! Nach ungefähr 50 Schritten ließ er den Kübel fallen; er brachte nicht mehr die Kraft auf, ihn und sich weiter zu schleppen. Ich wusste, was dies bedeutete. Unter den Schlägen eines SS-Mannes brach er völlig zusammen, denn dieser schlug mit dem Ochsenziemer noch auf den am Boden Liegenden ein. Storm sagte noch zu mir: "Weißt du, ich muss hier sterben - mein Herz!"

Für Gollnick ist der Widerstandskämpfer und Märtyrer Gerhard Storm aktueller denn je. "Gerade in der heutigen Zeit ist es notwendig, sich dieser Menschen zu erinnern, die mutig gegen den Extremismus, und hier speziell den Rechtsextremismus, öffentlich gekämpft haben: Storm als Jugend- und Berufsschulseelsorger, als Prediger in der Aldegundiskirche, als Redakteur der Kirchenzeitung. Er ist nicht wegen spontaner kritischer Äußerungen ins KZ gekommen, sondern aufgrund seines jahrelangen Agierens gegen die braunen Machthaber."

An Menschen wie Storm ließe sich die NS-Zeit nicht abstrakt, sondern ganz konkret im Ortsgeschehen nachvollziehen. Deshalb würde sich Gollnick wünschen, dass es in Emmerich und Rees eine gebührende Gedächtniskultur gäbe. Zumindest in der Aldegundiskirche wird morgen Gerhard Storm ein Thema sein. Dann nämlich erinnert Pfarrer em. Ewald Brammen in der Messe um 11.30 Uhr an den Märtyrer.

(RP)
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