Emmerich Kurhaus: Beuys' Gips vom Eisernen Mann

Emmerich · Bis jetzt über 5.000 Besucher in der Klever Ausstellung "Werklinien" zum Büdericher Mahnmal von Joseph Beuys im Museum Kurhaus. Ein opulenter Katalog zeichnet diese Werklinien von Kleve aus nach.

 Joseph Beuys: Der Gipsabdruck "Eiserner Mann", der auch die Installation "Straßenbahnhaltestelle" krönte. Im Hintergrund Cloots. RP-Foto: Ever

Joseph Beuys: Der Gipsabdruck "Eiserner Mann", der auch die Installation "Straßenbahnhaltestelle" krönte. Im Hintergrund Cloots. RP-Foto: Ever

Foto: Evers Gottfried

Von Beuys zu Beuys. Von einem geschwungenen Kruzifix hin zu der abgelegten Installation mit Bohrgestänge, mächtiger Stahlschiene und einem rostigen Kanonenrohr, aus dem sich ein Kopf quält. Eine Linie, in der sich die Entwicklung von Joseph Beuys ablesen lässt. Zusammengefügt an dem Ort, an dem das eine Werk entstand und an dem das andere Werk seinen Ursprung hatte: in Kleve. Oder, wie Kleves Museumsdirektor Prof. Harald Kunde es treffender nicht hätte beschreiben können: Dort, wo sich die Aura lokaler Authentizität mit der Fama weltläufiger Ausstrahlung mischt und eine eigentümliche Mixtur aus detailliertem Ortsbezug und übergreifender Relevanz erzeugt. Über 5000 Besucher haben die Ausstellung bereits besucht.

"Werklinien" nennt Valentina Vlasic die Ausstellung, die den Beuys erklärt. Die Kunsthistorikerin des Museums Kurhaus Kleve hat die Ausstellung kuratiert und dazu einen ebenso opulenten wie ansehnlichen Katalog herausgegeben, der jene Aura und Fama des lokalen weltläufigen einfängt und über die eigentliche Ausstellung hinaus festhält - in Bildern und vor allem in Texten von Valentina Vlasic, Guido de Werd, Werner Bebel und Ulf Jensen.

Jensen spürt den Klever Bezügen im Werk des berühmten Nachkriegskünstlers nach und findet dabei auch den Adligen Jean Baptiste Cloots. Der sei, so Jensen, für Beuys auch deshalb faszinierend, weil es Cloots als gebürtiger Klever aus dem überschaubaren Amphitheater Kleves auf die Weltbühne geschafft hatte. Abzulesen sei dies auch in der Installation "Straßenbahnhaltestelle" - wo sich ein gequälter Kopf aus der Enge des Rohres in die Weite zwänge: "Erst das Bekenntnis zur Herkunft, so einengend sie sich zunächst auch zeigt, vermag die Potenziale freizulegen, die dann auch im globalen Maßstab überzeugen können". Es ist jener Kopf, den man auch, wie Valentina Vlasic in ihrem Kapitel über die Geschichte des Ortes und des Ateliers, als den gequälten Cloots ansehen kann. Unbedingt lesenswert Guido de Werds Text zum Büdericher Kreuz. Er zeigt wie nebenbei, dass auch in Beuys' Werk das Kreuz als Zeichen der Auferstehung am Ort der tiefen Trauer Trost spendet. Werner Bebel blickt auf die Geschichte der Familie Beuys.

Es sind die Werke "Straßenbahnhaltestelle" und das Mahnmal in Büderich, die im Mittelpunkt von Ausstellung und Katalog stehen. Der Katalog zeigt in vorzüglichen Fotos nicht nur die schöne Klever Installation in der Wandelhalle des Kurhauses, die den Besucher nah an das Werk heranlässt, sondern auch die Situation des Mahnmals in Büderich. Der Hamburger Hausdesigner des Klever Museums, Ingo Offermanns, hat für den Katalog tief in die Trickkiste der Buchgestaltung gegriffen, nimmt diverse Sorten für die Seiten: Von Hochglanz-Papier, das den Glanzbildern des Mahnmals schmeichelt, über matte Seiten, die den Zeichnungen entgegenkommen, bis hin zu ganz rau anmutenden Blättern, die den Text tragen.

Hinweise, Tabellen oder Zitationen sind auf grauem Papier gedruckt, Texte und die dazu gehörigen Bilder auf beige-weißem Papier und die Fotos und Zeichnungen auf reinweißen Blättern. Durch die ständig wechselnde Griffigkeit der Seiten hat der Katalog seine ganz eigene Haptik. Das Buch ist in ebenso schönem wie schmutzanfälligen Mattweiß mit festen Deckeln gebunden, den Titel ziert das Foto von Fritz Getlinger, der weiland als RP-Fotograf den Künstler in seinem Atelier im Kurhaus porträtierte.

Ein gelungenes Buch zu einer gelungenen Ausstellung. Abgerundet wird der Katalog durch die Bilder der Domtüren, die Beuys zum 100-Jährigen des Kölner Doms machte. Das sind jene Fotos, in die Beuys hineinarbeitete, die zur ständigen Sammlung des Museums gehören, aber nicht mehr in die Ausstellung passten.

Joseph Beuys. Werklinien. 288 Seiten im Format 29 x 20 cm Hardcover. Zahlreiche Abbildungen in Farbe und in Schwarzweiß. ISBN 978-3-934935-80-8. Hrsg. v. Freundeskreis, 34, 90 Euro.

(RP)
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