Rees Kirchliches Leben entstand aus Ruinen

Rees · Erwin Roos wurde am 30. Dezember 1931 in der Oberstadt geboren. Über die Reeser Geschichte führt er akribisch Buch. Gemeinsam mit der RP erinnert sich der Ehrenmajor des Tambourcorps Rees an alte Zeiten und blickt auf den Neuanfang der katholischen Jugendarbeit (Teil 2).

Im Januar 1947 herrschte ein harter Winter. Um den Bürgern in der Nachkriegszeit wieder etwas Lebensmut zu vermitteln, plante die Kolpingfamilie eine Karnevalssitzung. Frau Kux auf der Dellstraße stellte den Planern ihr Wohnzimmer zur Verfügung, wo sich die Kolpingfamilie und die KJG einmal pro Woche zum Texten, Singen und Vorsprechen trafen. Im Februar 1947 ging die Sitzung im Esserdener Schützensaal von Jan van Gemmern über die Bühne. Die Kolpingfamilie stellte den Elferrat, das Funkenmariechen und die Funkengarde kamen von der KJG. Sitzungspräsident Karl Nienhaus.

In den Sommerferien 1947 organisierte Erwin Roos ein Zeltlager für seine St. Georg Gruppe. "Wir hatten keine hohen Ansprüche, verbrachten 14 Tage in Helderloh, nahe der heutigen Autobahn", sagt Roos. Der windgeschützte Zeltplatz befand sich in einer Sandmulde. Die KJG-Gruppe marschierte, mit Gepäck auf dem Rücken, die Bundesstraße 8 entlang Richtung Haldern. Dabei sangen die Jungen Lieder. "Als wir in Groin auf Höhe des Hofes Böhling waren, steckte ein Mann seinen Kopf aus einem Panzerwrack und fragte uns, ob wir nicht die Schnauze voll hätten von Kampfliedern", sagt Erwin Roos. "Ich erklärte ihm, dass wir Fahrten- und Wanderlieder sangen, die schon vor Hitlers Zeiten Bestand hatten." Bald erreichten die Jungen ihren Zeltplatz und statteten ihre Zelte aus alten Armeebeständen mit Ginster und weichem Stroh aus. Auf dem nahen Hof Schlütter konnten die Jungen die Pumpe zum Waschen benutzen. Vom Hof gab es auch Milch, Kartoffeln und Gemüse. Sogar das Jugendamt in Wesel hatte fürs Zeltlager Lebensmittel bereitgestellt, die sich in der freien Natur schnell zubereiten ließen.

Ein Teil der Reeser KJG machte sich 1947 auf den Weg nach Kevelaer. Sie wollten die Wallfahrt in die Marienstadt, wie sie bis zum Krieg üblich gewesen war, wiederbeleben. Der damalige Kaplan Heinrich Rademacher begleitete die Gruppe. Da es noch keine Fähre über den Rhein gab, durften die Pilger die Nachschubbrücke nutzen, die von britischen Soldaten gebaut worden war. Ein Pferdegespann transportierte das Gepäck, das bis zur Rückkehr am folgenden Montag reichen sollte. Somit legte die KJG den Grundstein für die später wieder jährlich stattfindende Wallfahrt der Reeser Pfarrgemeinde.

Als Erwin Roos nach der Währungsreform 1948 zur beruflichen Weiterbildung nach Düsseldorf ging, übernahm Franz Peters seine St. Georg Gruppe. Er denkt gern an diese frühe, prägende Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Doch eine Frage beschäftigt ihn: "Was ist aus dem damaligen Jugendbanner geworden?" Das Fahnentuch war ein Bettlaken, das Hubert Sweekhorst senior mit dem Schutzpatron der Jugend, dem heiligen Michael, bemalt hatte.

"Entweder ist das Banner beim Umzug von der Notkirche zum Kirchplatz verschwunden oder jemand hat es sich unter den Nagel gerissen", sagt Roos.

Aufgezeichnet von Michael Scholten

(RP)
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