Rees Kinderärzte werden zur Mangelware

Rees · Wenn die Reeser Kinderärztin Dr. Marianne Windmüller zum 30. September in den Ruhestand geht, verschärft sich der Fachärztemangel im Kreis Kleve. Die Elterninitiative "Gold wert" wirkt dieser Entwicklung nun tatkräftig entgegen.

 Die Reeser Kinderärztin Dr. Marianne Windmüller wird ihre Kinderarztpraxis nur noch bis zum 30. September weiterführen. Ein Nachfolger ist bisher nicht gefunden.

Die Reeser Kinderärztin Dr. Marianne Windmüller wird ihre Kinderarztpraxis nur noch bis zum 30. September weiterführen. Ein Nachfolger ist bisher nicht gefunden.

Foto: Thorsten Lindekamp

Wie viel Macht besorgte Mütter ausüben können, weiß Dr. Wolfgang Brüninghaus seit Juni. Fünf Jahre lang hatte der Klever Kinderarzt die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) in Düsseldorf auf eine drohende massive Unterversorgung des Kreises Kleve mit Kinderärzten aufmerksam gemacht, wurde aber stets mit der Auskunft abgespeist: "Wenn Eltern 50 Kilometer zum nächsten Kinderarzt fahren müssen, ist das völlig in Ordnung." Als er nun mit einer im März gegründeten Klever Elterninitiative erneut nach Düsseldorf fuhr, hörte er dort neue Töne: "Meine Damen, wir wollen Ihnen helfen." Auch auf Briefe an die KVNO, auf die Dr. Brüninghaus erst nach mehreren Mahnungen eine inhaltsleere Antwort erhielt, wird den Eltern in der Regel nach wenigen Tagen geantwortet.

"Niemand in Deutschland wird sich für die Interessen der Patienten auf dem Land oder für die Interessen der Kinder einsetzen - wenn Sie das nicht selbst tun", betonte der Kinderarzt jetzt auch vor Zuhörern im Reeser Bürgerhaus. Im Vergleich zu Patienten in Großstädten würden Patienten in ländlichen Regionen von der KVNO als "Patienten zweiter Klasse" behandelt. "Sie erhalten 60 Prozent der Leistungen, zahlen aber 100 Prozent Beiträge", sagte Dr. Brüninghaus. Ziel seines Vortrags sei es, die Zuhörer "wütend zu machen", damit sie sich gegen die drohende oder bereits bestehende Unterversorgung mit Facharztpraxen im Kreis Kleve wehren. So sei auch die Klever Elterninitiative "Gold wert", weil sie Beschwerden von Eltern sammelt, die keinen Kinderarzt finden können oder Monate lang auf einen Termin warten müssen.

Ein wesentlicher Grund für den Infoabend im Bürgerhaus war die Tatsache, dass Rees bald keine Kinderarztpraxis mehr haben wird. Dr. Marianne Windmüller geht zum 30. September in den Ruhestand und sucht seit mehreren Jahren vergeblich nach einem Nachfolger. Findet sie in den nächsten sechs Monaten keinen, wird sich in Rees nie wieder ein neuer Kinderarzt niederlassen können. So regelt es die "Bedarfsplanung", die 1990 vom damaligen Gesundheitsminister Horst Seehofer erlassen wurde. Zwar ist geregelt, dass sich in der Großstadt genauso viele Einwohner einen Kassenarzt "teilen" müssen wie auf dem Land, doch bei Spezialisten wie Kinder-, Augen-, oder HNO-Ärzten herrscht schon heute ein großes Ungleichgewicht zu Lasten der ländlichen Regionen. Die Folge sind längere Wartezeiten, längere Anfahrtswege, hektische Sprechstunden oder, im schlimmsten Fall, dass überhaupt kein Termin zu bekommen ist. Da aktuelle Zahlen der KVNO angeblich belegen, dass der Kreis Kleve derzeit sogar mit Fachärzten "überbelegt" ist, will sie weitere Ärztesitze schließen. Dr. Brüninghaus hat das Ziel, zumindest den Status Quo zu wahren, aber: "Viele der hiesigen Fachärzte sind jetzt über 60 Jahre alt. Wenn sie in fünf Jahren aufhören und für ihre Praxis keinen Nachfolger finden, dann Gnade uns Gott!"

Erschwert wird das Problem laut Dr. Brüninghaus dadurch, dass sich seit Beginn der Bedarfsplanung im Jahr 1990 kaum noch junge Ärzte mit einer Praxis niedergelassen haben. Und die wenigen, die es gibt, wollen lieber Praxen in Großstädten weiterführen, weil sie dort mehr Geld bei weniger Stress verdienen.

Als Vertreterinnen der Klever Elterninitiative betonten Beate Kohl, Nicola Tenbrink, Katharina Schmink, Katja Beermann und Melanie Del Rosso wie auch der Reeser Bürgermeister Christoph Gerwers, wie wichtig es ist, die KNVO durch Beschwerden zum Handeln zu zwingen. Diese Berichte können per Mail an "aerztemangelnichtmituns@gmail.com" oder telefonisch unter 0151/15679519 (am heutigen Freitag durchgehend, sonst montags von 8 bis 10 Uhr) durchgegeben werden. Die Initiative ist zudem auf aktive und passive Unterstützer angewiesen.

Das nächste Treffen findet am Freitag, 25. September, um 20 Uhr bei Dr. Brüninghaus in der Klever Hölderlinstraße 23 statt.

(RP)
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