Haldern Pop 2016 Was ist eigentlich dieses Haldern, von dem jetzt wieder alle reden?

Düsseldorf · Bis Samstag kommen 7000 Menschen auf einem Reitplatz im Reeser Stadtteil Haldern zusammen, um sich obskure schwedische Indie-Bands anzusehen. Warum tun sie das? – ein Erklärungsversuch in fünf Kapiteln.

Diese Künstler treten beim Haldern Pop Festival 2016 auf
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Diese Künstler treten beim Haldern Pop Festival 2016 auf

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Foto: Ralf HOhl

Bis Samstag kommen 7000 Menschen auf einem Reitplatz im Reeser Stadtteil Haldern zusammen, um sich obskure schwedische Indie-Bands anzusehen. Warum tun sie das? — ein Erklärungsversuch in fünf Kapiteln.

Diese völlig unbekannten Belgier sind ja der Wahnsinn

Mumford & Sons ist eine Antwort auf die Frage, warum die Leute zum Haldern Pop Festival kommen. Mumford & Sons spielten vor ihrem Durchbruch in Haldern, und eben dies sagt man vielen Künstlern nach, die am Niederrhein auftreten: dass sie danach berühmt werden. Das ist so falsch nicht. Phoenix waren schon 2001 in Haldern, Muse spielten gar zwei mal vor Einsetzen ihrer Popularität dort, The National reisten auch nicht als Headliner an, José Gonzáles gab nur mit der Akustikgitarre den Umbaupausenfüller. Wahr ist aber auch, dass dieser Aufzählung in den vergangenen Jahren nicht mehr so viele Bands hinzugefügt wurden. Und wahr ist auch, dass Bands wie Mando Diao, Franz Ferdinand, Travis, Patti Smith, Wilco und Wir sind Helden erst lange nach ihrem Durchbruch in Haldern gespielt haben.

Alles so schön übersichtlich hier

Haldern ist eine Absage an Gigantomanie. Während auf den großen Festivals mehr als 50.000 Zuschauer drängeln und der Bungee-Turm genauso lockt wie das Bühnenprogramm, glauben die niederrheinischen Veranstalter an das Motto "Weniger ist mehr". Knapp 6500 Karten gehen jedes Jahr raus, auch wenn der Vorverkauf zeigt, dass sie noch deutlich mehr Karten loswerden könnten. Deshalb braucht es auch keinen Tagesmarsch, um vom Zelt zur Hauptbühne zu laufen. Auch das Maß an Werbung auf dem Gelände ist erträglich, die Zigarettenverkäufer sprechen einen nicht dumm von der Seite an. Gewachsen ist das Festival aber trotzdem. In der Nähe der Hauptbühne steht das Spiegelzelt, zwischen diesen beiden die so genannte Biergarten-Bühne (die es in diesem Jahr nicht gibt), Bands treten auch in einem Tonstudio, in der Haldern-Pop-Bar und der Kirche im Ort auf. Das bringt Abwechslung, aber auch weite Wege. Die Zahl der Bands hat ebenfalls zugenommen, mittlerweile sind es knapp 65. Ein Ticket kostet in diesem Jahr erstmals mehr als 100 Euro.

Ihr seid das beste Publikum der Welt

Das Publikum liebt Haldern, und Haldern liebt sein Publikum. Stolz sind die Veranstalter darauf, dass die Besucher auch der obskursten kanadischen Indie-Kapelle eine Chance geben und auch beim experimentellsten norwegischen Gejaule nicht das Weite suchen. Tatsächlich hat Haldern nicht nur ein sehr erträgliches Publikum, sondern auch ein sehr geduldiges. Was allerdings nicht heißt, dass in den hintersten Reihen im Spiegelzelt nur andächtig geschwiegen wird und alle ihr Handy in der Hosentasche lassen. Und um das Publikum richtig zu begeistern, dazu gehört in Haldern schon eine Menge.

Wenn noch einer die Geschichte von den Messdienern erzählt!

Das größte Haldern-Klischee ist auch das wahrste: Ja, es waren gelangweilte Messdiener, die 1984 das erste Festival ausrichteten, und einer dieser Messdiener, Stefan Reichmann, ist noch heute für Haldern Pop verantwortlich. Er wohnt auch im Ort. Doch vermutlich zucken selbst die Veranstalter zusammen, wenn sie das Wort "Messdiener" nur hören. Das zweitgrößte Klischee stimmt allerdings nicht ganz so: Dass der Besucher zwischen Kühen zeltet. Wo sollten die Kühe auch grasen, wenn ihre Wiesen belegt sind? Viel größer ist die Wahrscheinlichkeit, morgens auf ein Maisfeld zu blicken. Kühe gibt es am Niederrhein ohnehin nicht mehr so viele.

Hurra, hurra, das ganze Dorf ist da

Haldern, das Festival, wäre ohne Haldern, das Dorf, nicht denkbar. Bei der ersten Ausgabe 1984 durften die Veranstalter einen alten Dachstuhl im Ort abreißen und daraus die Bühne bauen. Und so engagieren sich die Halderner bis heute, um das Festival möglich zu machen. Ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer könnte sich den Ticketpreis niemand leisten. Sogar die Pfandflaschensammler kommen aus dem Ort — die Haldern Pop Blagen positionieren sich strategisch geschickt gleich vor den Einlasskontrollen.

(seda)
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