Rees Haldern Pop macht einfach nur Spaß

Rees · Mario Batkovic verzaubert alle, der Shame-Sänger wirft sich in die Menge, Conor Oberst lässt seine Fans so richtig abtanzen, TootArd sorgt in der Pop Bar für gute Laune.

Haldern Pop Festival 2017: Eindrücke von Tag 2
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Foto: Kensbock

Der Soundcheck hatte den Zuhörern bereits einen Vorgeschmack auf die Klanggewalt seines Instruments gegeben, doch der anschließende Auftritt von Mario Batkovic übertraf alle Erwartungen. Der mit seinem Instrument verwachsene Akkordeonist überraschte mit einer scheinbar endlosen Palette an Klängen. Urwüchsige Bässe, verhaltene Streicher und säuselnde Hörner schienen die in wechselnden Farben beleuchtete Kirche zu erfüllen.

Es macht Sinn, dass das Ein-Mann-Orchester Batkovic im November die Hamburger Elbphilarhomie bespielt. Der aus Bosnien stammende, mittlerweile in der Schweiz lebende Musiker fand in seiner Kindheit einen intuitiven Zugang zur Musik. Das Knopfakkordeon war in der ländlichen Dorfgemeinschaft nahezu das einzige Unterhaltungsmedium, so dass der junge Batkovic unzählige Stunden mit seinem Instrument verbrachte. Das Resultat ist eine einzigartige, facettenreiche Musik, die verschiedenste Stimmungen und Bilder evoziert. Viele Zuhörer in der randvollen Halderner Kirche schlossen die Augen und ließen sich für die Dauer des Konzerts treiben, welches wie im Flug vorüberzugehen schien.

Beim Auftritt der britischen Gruppe Shame am Vortag hielt man die Augen lieber geöffnet. Der Sänger der Chaotentruppe warf sich mit Wonne in die Menge und nahm auch mal einen zerzausten Regenschirm entgegen. Die Musik des Quintetts gehört eher in die Kategorie Lärm, macht aber gerade live eine Menge Spaß.

Zeitgleich brachte Thomas Hübner, besser bekannt als Clueso, seine gut geölte Festivalmaschine auf der Hauptbühne in Fahrt. Dem Ganzen vorangegangen waren die Auftritte der Band A Blaze of Feather und von Conor Oberst. Letzterer konnte eine beachtliche Fangemeinde im strömenden Regen versammeln, die zu seiner energiegeladenen Folkrockdarbietung feierte.

Die Show der Vorgänger war weniger gut frequentiert, was aber mehr am beginnenden Wolkenbruch als an der Qualität der Musik lag. In der Tat war auch Ben Howard auf der Bühne. Dieser konzentrierte sich mit tief ins Gesicht gezogener Schirmmütze voll und ganz auf Gitarre und Bass. Der Schritt in die zweite Reihe zeugt von Größe, denn das Projekt um Sänger Mickey Smith produziert großartige Songs. Die filigranen Gitarrenarrangements und Gesangsharmonien waren es durchaus wert, sich bis auf die Knochen durchnässen zu lassen.

Wer am Donnerstag trotz Regenguss und Biergenuss zu später Stunde noch auf den Beinen stand, durfte The James Hunter Six in Aktion erleben. Das beachtliche Organ des Frontmanns klang mehr nach Schellack als nach einem lebendigen Sänger, aber von Playback konnte keine Rede sein. Die flotte Rhythmussektion traf auf bissige Hammond-Orgel, garniert mit glockenhellen Gitarrenlicks.

Am gestrigen Tag wurde das Programm erstmal ein wenig umdisponiert: Der Auftritt von The Inspector Cluzo fiel wegen Erkrankung des Sängers aus, so dass Aldous Harding ihren Auftritt von der Pop Bar ins Spiegelzelt verlegen konnte. Der eigenwillige Pop der Neuseeländerin hat ohnehin ein größeres Publikum verdient. Genauso wie die Musik von TootArd, die bereits zur Mittagszeit für gute Laune in der Pop Bar sorgte. Dass Rock-Riffs nicht nur in diatonischen Tonleitern funktionieren, ist nicht erst seit King Gizzard and the Lizard Wizard bekannt.

Große Erwartungen durften auch wieder an das Abendprogramm gestellt werden, vor allem an die Durchstarter AnnenMayKantereit, an das dynamische Trio BADBADNOTGOOD und an den exzentrischen Klangzauberer Benjamin Clementine, der viele neue Songs im Gepäck hatte.

(RP)
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