Emmerich Haftbefehle gegen Auflagen aufgehoben

Emmerich · Mit 9,2 Kilogramm Marihuana erwischt: Trotz Freiheitsstrafe kamen zwei Emmericher "Kuriere" vor dem Landgericht Kleve mit einem blauen Auge davon. Emmericher Briefträger: "Die schlimmste Zeit meines Lebens."

Rechtsanwältin Silvia Oster schloss das finale Plädoyer gestern im Klever Landgerichtssaal 103 mit einem Appell: "Denken Sie an eine relative Gerechtigkeit", betonte die Essenerin. Vorsitzender Richter Jürgen Ruby und seine Strafkammer hielten sich dran. Sorgten in der letzten Minute der fast fünfstündigen Sitzung dafür, dass aus Krokodilstränen der Angehörigen Freudentränen wurden. Die drei Angeklagten kamen trotz Strafen auf freien Fuß.

Für den Autotransport am 22. Dezember 2014 via 's-Heerenberg nach Emmerich mit 9,2 Kilogramm an qualitativ hochwertigem Marihuana im Kofferraum - die 199-fache Menge des zulässigen Konsums — wurden zwei Emmericher und ein Essener zwar belangt. Ruby sprach gegen den über das normale Maß hinaus geständigen Emmericher "Kurier" aber zwei Jahre auf Bewährung aus.

Der zweite Emmericher, der zum Transport seinen Wagen geliehen hatte, und der bei der Tat vorausfahrende Essener waren mit zwei Jahren, neun Monaten sowie vier Jahren Gefängnis dabei. Gleichwohl hob Richter Ruby die Haftbefehle auf. Gegen Auflagen. Unter anderem: Die Familie des Esseners muss eine Kaution hinterlegen. Wegen möglicher Fluchtgefahr.

Nach dem finalen Zeugen, einem Emmericher Polizeibeamten, hatte Staatsanwalt Ralf Trepmann zuvor den Fall zusammengefasst. Gewohnt markant. "Es sah nach einer sicheren Sache aus. Doch Sie haben Pech gehabt, meine Herren", leitete Trepmann ein. Sagte zum 32-jährigen Emmericher Briefträger, der "nur" sein Auto verliehen hatte: "Sie sind nicht naiv, sondern das Bindeglied im Falle." Den 33-jährigen (Ex-)Freund, der Bildhauer-Meister fuhr den Wagen mit der Marihuana-Ware, betitelte der Staatsanwalt als "der Dumme, der die Schmutzarbeit machte".

Im 31-jährigen Essener, der als Kurier auf dem Drogen-Transportrückweg nach Emmerich vorausgefahren war, vermutete Trepmann "die rechte Hand des Auftraggebers". Der nur als "Arvid" bezeichnet wurde, der Unbekannte. "Sie haben die Strukturen im Hintergrund nicht ansatzweise aufgeklärt, nur gemauert", warf der Staatsanwalt dem Essener vor. Trepmann forderte gestufte zweieinhalb bis viereinhalb Jahre Haft für das Trio.

Die Verteidiger setzten dagegen. "Es war nichts weiter als ein Freundschaftsdienst", erklärte Dr. Patrick Gau, der Dortmunder Anwalt des Emmericher Briefträgers. "Mein Mandat hat keinen Pfennig bekommen und kann ja auch nicht so bescheuert sein, sein eigenes Fahrzeug von der Polizei suchen zu lassen, wenn er von den Dingen in diesem großen Umfang gewusst hätte." Den "reinen Freundschaftsdienst" stellte der Anwalt des mittlerweile in Köln wohnenden Bildhauer-Meisters in Frage. "Der Freund meines Mandaten wusste, dass da mehr als 100 Gramm Marihuana im Spiel waren." Der Verteidiger bezeichnete seinen Mandanten als "untypischen Kurier, der kaum wusste, wo es lang ging".

Anwältin Oster legte die Rolle ihres Mandanten als "Begleitkurier" aus, der für 500 marktübliche Euro Transportlohn gefahren sei: "Übergabe, Versteck, Menge der Ware - lag doch alles nicht in seinem Einflussbereich." Der seit neun Monaten in Untersuchungshaft büßende Essener gab an: "Ich hatte viel Zeit zum nachdenken, bezahle nun die Rechnung für meine Fahrt." Der Emmericher Briefträger, seit Ende Januar in Düsseldorf einsitzend, sprach von der "schlimmsten Zeit meines Lebens". Die seit gestern beendet ist.

(miry)
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