Bordell-Prozess Emmerich Fungarden: Esed D. fordert Respekt

Emmerich · Der Angeklagte Esed D. geht im Fungarden-Prozess in die Offensive: "Ich sollte Geschenke von der Stadt Emmerich bekommen". Nach Schätzungen wurden 2,6 Millionen Euro Sozialversicherungsabgaben nicht gezahlt.

 Der Angeklagte Esed D. auf dem Weg in den Gerichtssaal.

Der Angeklagte Esed D. auf dem Weg in den Gerichtssaal.

Foto: van offern

Esed D. hat früher nicht nur im Bergbau gearbeitet, er hat auch geboxt. Aus seiner Sicht hat der 53-Jährige bereits viele Treffer einstecken müssen. Er sieht sich — zu Unrecht — als Monster und Menschenhändler beschuldigt. Doch als Boxer weiß er, dass ein Kampf erst mit dem Schlussgong zu Ende ist — und er ging gestern erst einmal richtig in die Offensive.

 Der Angeklagte Esed D. auf dem Weg in den Gerichtssaal.

Der Angeklagte Esed D. auf dem Weg in den Gerichtssaal.

Foto: kds

Esed D. beschrieb sich am gestrigen 16. Prozesstag selbstbewusst als Unternehmer, der viel Gutes für die Stadt bewirkt habe: "Ich bin mir sicher, dass in der Geschichte der Stadt Emmerich niemand mehr Steuern bezahlt hat."

Möglicherweise hat aber auch in der Geschichte der Stadt Emmerich niemand weniger Steuern bezahlt - gemessen an dem, was eigentlich zu zahlen gewesen wäre. Jedenfalls stellte die Kammer gestern mögliche Berechnungsmodelle zur Ermittlung seiner Steuerschuld vor und verband diese Ausführungen später mit dem düsteren Hinweis, dass bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung auch ein besonders schwerer Fall angenommen werden könne. Strafmaß: bis zu zehn Jahre.

Diese Bemerkung war wohl ein Dämpfer für den Angeklagten, der zuvor in den leuchtenden Farben geschildert hatte, wie segensreich der "Fungarden" für die lokale Wirtschaft der Stadt am Rhein gewesen sei. Er habe für 20 000 Euro eine Kaffeemaschine gekauft, jährlich für 1600 Euro einen Staubsauger und sogar 5000 Handtücher. Einmal im Monat habe der Klempner kommen müssen. Und viele seiner Damen hätten Ehemänner aus Holland gefunden, denn in deren Augen sei der "Fungarden" weniger ein Club und eher ein Vermittlungsinstitut gewesen. Sein Fazit: "Ich sollte Geschenke von der Stadt Emmerich bekommen, und keine Strafe!"

Er selbst sei angesichts der Vorwürfe an seine Grenze der Belastbarkeit gelangt. Esed D.: "Nach alldem, was ich erlebt habe, wundert es mich, dass ich nicht in der Psychiatrie bin. Ich werde verrückt." Für seine Zukunft sieht er schwarz. "Hier wird über Millionen gesprochen, aber wenn Olga und ich wieder draußen sind, stehen wir auf der Straße."

Die Kammer stellte anhand der handschriftlichen Buchführungsunterlagen, die bei einer Durchsuchung der Bordelle sichergestellt wurden, folgende vorläufige Berechnungsgrößen: durchschnittlicher Eintritt 44 Euro, durchschnittliche Zahlung je Freier 85 Euro, durchschnittliche Tagesmiete der Prostituierten 40 Euro. 18 bis 19 Prostituierte waren im Mittel pro Tag im Einsatz. Wenn diese Zahlen auf die Betriebsjahre des "Fungarden" und "Villa Auberge", wo in gleicher Weise verfahren wurde, hochgerechnet werden, ist man schnell bei Millionenbeträgen.

Dies legte am Beispiel der nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge eindrucksvoll der als Sachverständiger geladene Vertreter der deutschen Rentenversicherung dar. Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die im "Fungarden" tätigen Frauen keine selbständigen Unternehmerinnen waren — wofür nach derzeitigen Stand vieles spricht — so wäre laut der pauschalen Modellrechnung des Experten ein Schaden in Höhe von 2,6 Millionen Euro anzunehmen.

Nur geringfügig günstiger für den Angeklagten fiel eine andere Rechnung aus, bei der die Einnahmen fiktiv auf die 18 oder 19 pro Tag tätigen Frauen umgerechnet wurden. Selbst dann belief sich die Schuld an nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen noch auf eindrucksvolle 1,96 Millionen Euro.

Der Prozess soll am Freitag, 8. März, in Kleve fortgesetzt werden. Weitere Termine für das Verfahren wurden schon bis Ende April festgelegt.

(dau)
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