Haldern Countdown Feinste Pop-Hits mit doppeltem Boden

Emmerich · Am 10. August beginnt das Haldern-Pop-Festival. RP-Redaktionsleiter Sebastian Peters hat sich die aktuellen Alben der Bands bereits angehört. Sein Urteil:

Let's Eat Grandma - I Gemini Die beiden Musikerinnen Rosa Walton and Jenny Hollingworth lernten sich schon im zarten Alter von vier Jahren und begannen als 13-Jährige, im Bandgefüge zu existieren. Mit "I Gemini" haben sie bei Transgressive Records jetzt ihr Debüt veröffentlicht. Ihr psychedelischer Folk klingt wie Musik aus einem Märchenwald, die Melodien verträumt bis verschlafen, manchmal regelrecht spooky. Man fühlt sich an Coco Rosie erinnert, auch an Beach House. Manchmal verlieren sich die Melodien, wandeln so dahin und enden abrupt. Dreampop wird dieses Genre auch genannt. Es sei den jungen Damen zugestanden. Mit nicht mal 18 Jahren darf man noch Träume haben. Am Rande: Der Bandname ist ein Hinweis darauf, wie wichtig die Kommasetzung ist. Solltet ihr beherzigen, liebe Schüler!

Klingt wie: Coco Rosie, Beach House (Punkte: 3,5/5).

The Inspector Cluzo - Rockfarmers

Mathieu ,Phil' Jourdain sitzt am Schlagzeug und Backgroundgesangs-Mikrofon, Laurent ,Malcom' Lacrouts ist Leadsänger und Gitarrist. Gemeinsam leben sie auf einem Biobauernhof, züchten dort allerlei flatterndes Getier und machen im Hauptberuf herrlich abgedrehte Musik. The Inspector Cluzo sind wahrscheinlich eine der wildesten Bands, die unser schönes Nachbarland Frankreich zu bieten hat. Auf ihrem Doppelalbum Rockfarmers liefern sie bei vollständigem Verzicht auf einen Bassisten einen satten Rock-Blues-Soul-Sound, der an Led Zeppelin oder die White Stripes erinnert. Ihre Abneigung gegen die Bassgitarre wird auch im Namen ihres eigenen Plattenlabels verraten: Fuckthebassplayer heißt es. Ihre Musik ist der Beweis: Auch ohne die vier Saiten des Basses kann man eine kraftvolle Rockband sein. Und noch eines stellt das Album unter Beweis: Es sollten mehr Rockalben mit dem Schnattern einer Gänseschar eröffnet werden.

Klingt wie: Led Zeppelin (Punkte: 4/5).

Me + Marie - One Eyed Love Seit 2012 schreiben Maria de Val aus Südtirol und Roland Scandella aus Graubünden gemeinsam an Songs. Das Duo hat mittlerweile in München eine Heimat gefunden, klingt aber international. Die Folkrocksongs auf "One Eyed Love" erinnern an Bands wie Angus & Julia Stone und Dear Reader. Me + Marie wollen mit ihrer Musik nicht aufwühlen, sondern den Hörer leicht umschmeicheln. Dies geht manchmal auf Kosten der Spannung. Wäre der Begriff Kuschelrock nicht musikhistorisch vorbelastet, würde man ihn hier anwenden wollen.

Klingt nach: Angus & Julia Stone, Dear Reader (Punkte: 3/5).

Bilderbuch - Magic Sie sind in Österreich die Posterjungs des Pop: Bilderbuch um den It-Boy Maurice Ernst spielen mit dem Klischee von maximaler Fassade, dabei ist das doch eine Musik mit doppeltem Boden: Hinter all den oberflächlichen Metaphern, hinter diesem Lack & Leder-Fetischpop, steckt ganz offenbar immer noch eine zweite denkbare Ebene. Musikalisch bewegen sich Bilderbuch diesmal auf dem Feld von R'n'B, Soul, Funk und Rock, ein Wimmelbuch eben, stilistisch immer nah an Prince und Falco orientiert. Exemplarisch höre man nur "Sweetlove", dieses schwülstige Balladenmonster, das derart frech die Romantik karikiert, das einem um die Liebe der jungen Leute Angst und Bange werden dürfte. Wenn Maurice Ernst singt, dann klingt das Deutsche amerikanisch, wie überhaupt diese Musik im besten Sinne polyglott ist. Der beste Einstiegssong in dieses Album ist "Bungalow", im feinsten Sinne ein Pop-Hit. Alles bleibt beim Alten: Bilderbuch haben sich nicht neu erfunden, weil sie sich wieder neu erfunden haben.

Klingt nach: Prince, Falco (Punkte: 4/5).

(RP)
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