Toter Katip A. aus Emmerich Trauer, Wut und Angst bei den Jesiden

Emmerich · Nach dem Tod von Katip A. steht die jesidische Gemeinde in Emmerich unter Schock. Sie setzt darauf, dass der Fall des jungen Mannes, der nach einem Polizeieinsatz am Montagabend gestorben ist, fair und transparent untersucht wird.

 Am Mittwochabend setzte sich ein stiller Trauermarsch von mehreren hundert Menschen in Bewegung.

Am Mittwochabend setzte sich ein stiller Trauermarsch von mehreren hundert Menschen in Bewegung.

Foto: Markus van Offern

Eigentlich hätte am Mittwoch am Ossenbruch "Carsema Sor" gefeiert werden sollen. Das jesidische Neujahrsfest ist einer der wichtigsten Feiertage der Glaubensgemeinschaft. Doch nach einer Feier ist den Emmericher Jesiden seit Montag nicht mehr zumute gewesen. Sie sagten das Fest nach dem Tod eines jungen Mannes aus ihrer Mitte kurzerhand ab - aus Respekt vor seinen Hinterbliebenen, wie es auf der Facebook-Seite des jesidischen Jugendkomitees heißt.

Der 32-jährige Katip A., der seit seinem fünften Lebensjahr in Emmerich wohnte, war am Montag ums Leben gekommen. Wohl unter dem Einfluss von Drogen hatte er am Kleinen Löwen randaliert und war dann von Polizisten nach einem kurzen Gerangel verfolgt und am Boden fixiert worden. Nachdem er das Bewusstsein verloren hatte, wurde er ins Krankenhaus gebracht, wo er in der Nacht zu Dienstag starb.

 Gestern fand im Gemeindezentrum am Ossenbruch eine Trauerfeier für den verstorbenen Katip A. statt.

Gestern fand im Gemeindezentrum am Ossenbruch eine Trauerfeier für den verstorbenen Katip A. statt.

Foto: Markus van Offern

Wie seitdem die Befindlichkeiten in der jesidischen Gemeinde Emmerichs sind, konnte bereits am Mittwochabend bemerkt werden, als sich ein stiller Trauermarsch von mehreren hundert Menschen in Bewegung setzte. Gestern fand dann im Gemeindezentrum am Ossenbruch eine Trauerfeier für Katip A. statt. Auch hier waren wieder zahlreiche Menschen vor Ort. "Wir stehen unter Schock", sagt Nihat Arslan, ein Cousin des Toten.

Viele halten den Einsatz der Polizei für unverhältnismäßig

Neben der Trauer brechen sich aber auch Wut und Angst bei den Emmericher Jesiden Bahn. Wut, weil viele den Einsatz der Polizei von Montagabend für unverhältnismäßig halten, und Angst, weil es Befürchtungen gibt, dass sich ein solches Geschehen wiederholen könnte. Denn: "Seit in Deutschland die Flüchtlingsdiskussion geführt wird, sind auch wir verstärkt Vorurteilen ausgesetzt. Dabei ist Deutschland auch unsere Heimat", sagt Adar Ömer, ein Onkel des Verstorbenen.

Was die Jesiden als besonders bitter empfinden: Viele von ihnen sind vor Verfolgung geflohen, leben seit Jahrzehnten in Emmerich und Umgebung, haben sich integriert, sind sogar deutsche Staatsbürger, müssen sich aber aufgrund ihres Aussehens oft wie Bürger zweiter Klasse behandeln lassen. So wie Salih Tolukan. Er ist Unternehmer, Vorsitzender der jesidischen Gemeinde in Emmerich, spricht perfekt und akzentfrei Deutsch. Sagt aber: "Manchmal kann man schon den Eindruck bekommen, dass das Grundgesetz nicht für uns gilt."

"Sein Aussehen hat ihn letztlich das Leben gekostet."

Dass Vorurteile im Falle von Katip A. beim Vorgehen der Polizei eine Rolle gespielt haben könnten, glauben nicht wenige der Jesiden. Orhan Akbas, ein Freund des Toten und Zeuge des Vorfalls vom Montag, ist sogar überzeugt: "Sein Aussehen hat ihn letztlich das Leben gekostet." Dass Katip A. auch Fehler gemacht hat, Drogen nahm und vorbestraft war, bestreiten die Jesiden nicht. Den Einsatz der Polizei halten sie jedoch für überzogen. Nun hoffen sie auf den Rechtsstaat. "Wir wollen, dass die Wahrheit zutage kommt", sagt Nihat Arlsan. Gemeindevorsitzender Salih Tolukan formuliert es so: "Wir alle sind Menschen und machen Fehler. Auch Polizisten. Wenn sie den Tod von Katip verschuldet haben, sollen sie auch dazu stehen und es sagen."

Im jesidischen Gemeindezenttrum setzt man jetzt darauf, dass der Fall fair und transparent untersucht wird. Salih Tolukan: "Wir werden jetzt erst einmal die Stellungnahme des Staatsanwaltes abwarten und uns dann weitere Schritte überlegen. Notfalls gehen wir bis nach Berlin." Bei allem Ärger gibt es aber auch versöhnliche Töne: "Was wir wollen, ist Menschlichkeit und in Frieden miteinander leben", erklärt Nihat Arslan.

(RP)
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