Emmerich Ein starkes Jahrhundert

Emmerich · Annelis Schleipen wird übermorgen 100 Jahre alt. Am Samstag will sie den runden Geburtstag in der Societät mit Familie und Freunden feiern.

Als Annelis Schleipen, geborene von Gimborn, am 23. Juni 1916 das Licht der Welt erblickte, herrschte gerade der Erste Weltkrieg. Am Donnerstag wird sie 100 Jahre alt und ist damit die fünfälteste Emmericherin. "Bis zum letzten Jahr besuchte sie noch regelmäßig ihren Frauen-Stammtisch in der Societät", erzählt Schwiegertochter Heidi Schleipen.

Das hohe Alter scheint in den Genen zu liegen. Ihre Schwester Hertha Schieck feierte vor eineinhalb Jahren ihren 100. Geburtstag. "Und da hat sie gesagt: Ich muss mindestens noch so lange leben, bis meine kleine Schwester Annelis auch 100 Jahre alt wird", sagt Heidi Schleipen. Jetzt ist es soweit.

Annelis besuchte in Emmerich die Volksschule, später das Mädchen-Lyzeum. Die Oberstufe absolvierte sie "bei den Nonnen" in Haus Aspel, wo sie auch ihr Abitur machte. Neben Schwester Hertha gehörte Bruder Hans von Gimborn zur Familie, der 80-jährig starb. Annelis half zu Hause im Haushalt, bis sie 1936 ihren Walter heiratete. "Wir machten eine Haustrauung in meinem Elternhaus an der Rheinpromenade 44, weil wir eine Mischehe eingingen", erzählt die Seniorin, die geistig sehr fit ist, nur einige Probleme mit dem Hören hat. 1938 kamen in dem Haus Tochter Karla, 1940 Sohn Willi, der von seiner großen Schwester den Kurznamen "Bill" erhielt, und 1943 Tochter Birgit zur Welt.

Im August 1944 flüchtete Mutter Schleipen mit den drei Kindern zu einer Försterfamilie im Westerwald, weil Emmerich bombardiert wurde. Dort machte sie den Jagdschein und schoss Rehe, Hirsche und Hasen, um den Kochtopf zu füllen. Da ihr Ehemann Walter in russischer Gefangenschaft geriet, kam sie alleine mit den Kindern in ihre Heimatstadt zurück, wo das Familienunternehmen Schleipen & Eichhorn, das Pergamentpapier herstellte, wieder aufgebaut wurde. Drei Tage vor Weihnachten 1947 kam Ehemann Walter aus der Gefangenschaft zurück. "Das war mein schönstes Weihnachtsgeschenk", sagt Annelis Schleipen.

Er übernahm wieder die Leitung des Betriebes, sie hielt ihm den Rücken frei. Das Elternhaus an der Promenade musste abgerissen werden, 1952 war es wieder neu aufgebaut. Den großen Garten bewirtschaftete sie allein, außerdem nähte und strickte sie Kleidung für ihre Kinder, las gerne, spielte mit ihrem Mann Tennis beim Tennisclub Rotweiss und kegelte mit ihm im Kegelclub "Mustergatten". Oft begleitete sie ihren Walter zum Forellenangeln nach Österreich, in die Eifel oder auf die Bislicher Insel. 1979 starb er nach einer Herz-Operation.

Bis vor vier Jahren wohnte Annelis Schleipen in ihrem Elternhaus, dann zog sie ins Nachbarhaus um. Was sie am liebsten tut? "Quatschen", sagt die agile Seniorin. Sohn Bill liest ihr abends die Rheinische Post vor, die Töchter kommen oft zu Besuch. Und auch die polnische Hilfe Janina, von der sie seit zwei Jahren betreut wird, unterhält sich gerne mit der geistig fitten Dame.

Am Samstag, 25. Juni, will Annelis Schleipen ihren 100. Geburtstag in der Societät mit Freunden und der Familie feiern, zu der sieben Enkel und 20 Urenkel zwischen zwei und 20 Jahren gehören. "Aber ich möchte keine Geschenke", sagt sie. Wer etwas geben möchte, soll es der Hospizbewegung Emmerich spenden.

(moha)
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