Rees Die Reeser Geschichte erleben

Rees · Für das Arbeitsamt war es eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, für Tina Oostendorp das Beste, was ihr passieren konnte. Mittlerweile arbeitet sie seit 30 Jahren im Stadtarchiv und erlebt dort die Reeser Geschichte hautnah.

Rees: Die Reeser Geschichte erleben
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Als Leiterin des Stadtarchivs beschäftigt sich Tina Oostendorp jeden Tag mit der Geschichte der ältesten Stadt am Niederrhein. Doch in diesem Oktober schreibt die Millingerin ausnahmsweise selbst Geschichte: Sie feiert ihr 30-jähriges Bestehen im Stadtarchiv.

Als sie dort 1985 anfing, war das Archiv noch auf dem Dachboden des Rathauses untergebracht. Mit Unterstützung der Archivberatungsstelle Rheinland durchforsteten Oostendorp und ihr damaliger Kollege Karl-Heinz Bollbrinker sämtliche Akten und mussten sie nach Ämtern sortieren: Millingen, Haldern, alte Stadt Rees, neue Stadt Rees. Nach einem Traumjob klang das nicht, zumal Tina Oostendorp das Fach Geschichte in der Schule eher mäßig interessant fand. Es war purer Zufall, dass sie die geschichtsträchtige Stelle bekam: "Das Arbeitsamt schrieb, ich solle mich als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bei der Stadt Rees für das Archiv melden." Da ihr Großonkel Gerhard Oostendorp, ein Pastor im Ruhestand, dort ehrenamtlich arbeitete, gab es bereits eine persönliche Bindung, so dass sie die Stelle konkurrenzlos bekam. "Das war das Beste, was mir passieren konnte", sagt sie heute rückblickend.

Seit 2007 ist das Archiv in einem Neubau am Hermann-Terlinden-Weg untergebracht. Die kleine Seitenstraße ist nach dem früheren Archivleiter Hermann Terlinden benannt, der 1993 starb. "Von ihm habe ich gelernt, dass man diese Arbeit mit viel Liebe und Sorgfalt machen muss", sagt Tina Oostendorp. "Zwar habe ich die Archivleitung von ihm übernommen, aber vom Arbeitsbild her bin ich nicht in seine Fußstapfen getreten. Er hat sich vor allem der Familien- und Heimatforschung gewidmet und die Geschichten sprudelten nur so aus ihm heraus. Ich dagegen verwalte in erster Linie die neueren Verwaltungsakten, die eines Tages auch zu Quellen der Stadtgeschichte werden."

Auf einer Lagerfläche von insgesamt 1,1 Kilometer werden Akten, Fotos, Bücher und andere stadthistorische Objekte aufbewahrt. Besonders alte Dokumente lagern in säurefreien Archivkartons bei gleichbleibend 16 bis 18 Grad Celsius und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit. Jeden Monat nutzen etwa zehn bis zwölf Besucher das Archiv und begutachten die Aktenordner mit alten Bildern und Papieren.

Laut Vertrag muss Tina Oostendorp einmal pro Jahr eine Ausstellung für das Städtische Museum Koenraad Bosman organisieren. Doch weil ehrenamtliche Helfer, zum Beispiel Privatleute oder auch die Mitglieder des Geschichtsvereins Ressa sehr aktiv sind, kann sie sich in manchen Jahren ganz auf die Archivarbeit konzentrieren. "Generell ist die Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung sehr groß", lobt die Archivleiterin. "Für alle Ausstellungen bekommen wir viele Informationen, Fotos und weitere Erinnerungsstücke." Im ablaufenden Jahr 2015 organisierte Tina Oostendorp federführend die Ausstellung "Unsere Stadt Rees - Die ersten 40 gemeinsamen Jahre nach der kommunalen Neugliederung 1975", zu der auch ein Begleitbuch erschien. In Zusammenarbeit mit niederländischen Geschichtsforschern entstand die auffallend gut besuchte Ausstellung "70 Jahre nach Kriegsende - Rees und die Grenzregion". Der Zweite Weltkrieg und die Bombardierung 1945 haben viele historische Dokumente zerstört, doch dank einer schriftlichen Anordnung, dass alle deutschen Kommunen ihre wichtigen Urkunden in Sicherheit bringen mussten, haben unwiederbringliche Stücke wie die Reeser Stadterhebungsurkunde bis heute überlebt. "Alles aus den Jahren bis 1750 wurde in ein Salzbergwerk im niedersächsischen Darbringhausen ausgelagert", sagt Oostendorp. "Alles andere blieb im Rathaus und wurde bei der Bombardierung fast ausnahmslos vernichtet. Lediglich die Personenstandsbücher und wenige andere Dokumente wurden gerettet. Aber aus dem 19. Jahrhundert und aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben wir bis heute die größte Lücke in unseren Beständen."

Hätte Tina Oostendorp die Möglichkeit, eine Zeitreise zu machen, dann würde sie sich für den 14. Juli 1228 entscheiden: "Das muss ein absolutes Highlight gewesen sein, als Heinrich von Molenark mit seinem Tross hier eintraf, um Rees zur Stadt zu erheben." Alternativ würde sie jeder beliebige Tag aus früheren Jahrhunderten reizen: "Dann würde ich gern ein Foto vom Delltor machen. Davon existiert heute leider kein einziges Bild."

(RP)
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