Rees Das Wetter bleibt in Haldern der Headliner

Rees · Manchmal braucht es nicht viel: Ein flottes Schlagzeug, scheppernde Gitarren und einen guten Slogan. "Patti Smith would never put up with this shit", sang Haley Shea von der Pop-Punk-Truppe Sløtface, während Bassist Lasse das Bühnenfenster der Haldern Pop Bar aufsperrte.

Haldern Pop Festival 2018: So lief der erste Tag
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Haldern Pop Festival 2018: So lief der erste Tag

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Foto: Sebastian Latzel

Das Musik-Buffet war in diesem Jahr besonders reichhaltig angerichtet: Das Spektrum reichte vom Oldschool-HipHop eines Loyle Carner bis hin zur musikalischen Früherziehung von Let's Eat Grandma. Die Überraschung am Freitag war aber sicherlich der Auftritt von Benjamin Clementine: Während der englische Sänger bei seinem Spiegelzelt-Auftritt im Jahr 2014 das Publikum zur Ruhe ermahnt hatte, versteht er sich mittlerweile als Entertainer und instruierte das Publikum vor der Hauptbühne zum "Condolence"-Singalong. Das multiethnische Ensemble erinnert an Sly & the Family Stone, wobei bei Clementine eher die Extravaganz als der Familiengedanke dominiert. Jazz-Interessierte bekamen mit Mammal Hands und Badbadnotgood zwei einsteigerfreundliche Acts geboten. Während erstere mit komplexen Rhythmen aufwarteten, brachte die junge Band aus Toronto eine gute Mischung aus HipHop-Party und abgedrehten Improvisationen auf die Bühne. Jesse Barrett von Mammal Hands war so sehr in sein Schlagzeugspiel vertieft, dass er sich auf der Altonaer Pop-Nacht glaubte. Das nahm aber niemand übel, denn schließlich befand man sich unter alten Bekannten.

AnnenMayKantereit spielten schon in Haldern, als sie noch fast niemand kannte. Das ist aber erst drei Jahre her und nicht vier, wie Sänger Henning May in seiner Anekdote vom ersten Gig in der Pop Bar behauptete. Der Hype hat der Kölner Truppe eine ungeheure Popularität beschert, abgesehen von den Hitsingles hat das Quartett aber musikalisch nicht viel zu bieten. Mit "Valerie" von Amy Winehouse und Nina Hagen-Cover sorgte man für Abwechslung in der Setlist.

Nicht wiederzuerkennen sind die Stammgäste von Bear's Den, die mittlerweile ein zweites Album im Gepäck haben und wie The War On Drugs klingen. Wer immer noch Paolo Nutini vermisst, der kann getröstet werden. Tom Grennan steckte mit seinem Auftritt im Spiegelzelt den Sänger locker in die Tasche.

Erneut zu Besuch waren auch The Afghan Whigs. Leider kann man sich noch nicht daran gewöhnen, die Band ohne den kürzlich verstorbenen Gitarristen Dave Rosser auf der Bühne zu sehen.

Ein tolles Finale wurde den Gästen am Samstag mit der Show von Bilderbuch geboten. Maurice Ernst machte seinem Ruf als Showmaster wieder alle Ehre. Auch wenn das aktuelle Album Magic Life nicht an den Vorgänger heranreicht, präsentierten sich Bilderbuch als unumstrittener Headliner. Lightshow, Choreographie und eine Bühnendekoration aus 900 Turnschuhen sorgten für Staunen. Doch auch das Programm im Spiegelzelt konnte sich sehen lassen. Klangstof sorgten mit dicken Synth-Bässen für eine wohlige Trommelfell-Massage, Me and Marie mit ihrem erdigen Rock für frenetischen Jubel und Idles für einen brutalen Abriss. Die fünf Briten fegten zum Abschluss des Festivals durch ihr Debütalbum Brutalism und genossen es sichtlich, die tobende Menge auf Trab zu halten.

(RP)
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