RP-Serie Hüthumer Geschichten (Teil 12 und Ende) Das Gasthaus erster Klasse

Hüthum · Auf dem "Schockewardshof" lebte Bernhard Bossmann mit seiner Familie. Dort gab es zwar nie eine konzessionierte Gastwirtschaft, aber die Freundlichkeit und Lebenslust der Bewohner lockten viele Besucher ins Bauernhaus.

Die letzte Station der Rundreise durch die Gemeinde auf dem Weg der Gaststätten in den vergngenen 100 Jahren führt über den Bahndeich zurück in Richtung Hüthum und gleichzeitig in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Man überquert die Trasse der ehemaligen Kaiserlichen Reichsbahn, die sogenannte Wellebahn, auf der sich ein Grenzposten befindet. Auf der linken Seite erblickte man am Fuße des Deiches hinter großen Linden ein fast verwunschen anmutendes Bauernhaus. Später völlig von Efeu überwachsen wirkte es wie eine Oase der Ruhe. Doch der Eindruck täuschte: Drinnen war damals jede Menge Leben.

Auf dem "Schockewardshof" lebte Bernhard Bossmann mit seiner Familie. Dort gab es zwar nie eine konzessionierte Gastwirtschaft, aber dennoch präsentierte sich die "Schockeward" als Gasthaus erster Klasse und gehört deshalb in der Auflistung der alten Gastwirtschaften dazu. Dies lag an der Freundlichkeit und Lebenslust seiner Bewohner.

Hausherr Bernd war ein Original, wie man es heute leider nicht mehr antrifft. Fast jeder kannte ihn und wen der Weg über den Deich nach Spyck führte, der kehrte kurz bei Bernd und Käthe ein. Sogleich wurde man mit einem Körnchen bewirtet. Oft gab es dazu frischen Aal aus der Pfanne oder Kaffee und Kuchen wurden serviert. Käthes Kuchen waren schon damals berühmt, so dass man ihr sogar den Namen "Kuchenkäthe" gab. Das Ungewöhnliche an dieser Herberge war, dass man nichts bezahlen durfte. Lediglich kleine Geschenke, meist ein oder zwei Fläschchen Korn, wurden als Gegenleistung akzeptiert. Oft war die Zahl der Einkehrer beträchtlich. Wenn sich die Richtigen trafen, wurde nicht selten ein kleines Fest daraus. Schließlich hatte man gerade den Krieg überstanden und freute sich des Lebens mit allerlei Witzchen und Schabernack.

Bernd hatte in seiner Militärzeit als Pianist im Offizierskasino gedient und verstand sein Fach. Es war erstaunlich, wie er es mit seinen riesigen Händen schaffte, dem Piano die sanftesten Töne zu entlocken. Doch wenn die Stimmung ihren Höhepunkt erreichte, konnte er auch richtig in die Tasten hauen. Dazu sang er lustige Lieder wie "Mama, bitte leuchte mal, ist kein Schwein im Stall" oder "So wie wir leben, so kann kein Bauer leben, selbst wenn er hunderttausend Schweine hätt". Auch das berühmte "i", das Bernd gerne seinen Wörtern anhängte - wie beispielsweise Schnapsi - hat sich bis heute in seinen Liedern erhalten.

Der Erinnerung an einstmals schöne Stunden ist dieses Döntje vom Schockewardshof in Hüthum gewidmet:

Van Dag noch sägge sej einhellig, wat was de Schockeward geselleg.

Met Bernd en Käthe, August, Trüss, vier Kender ströpende dör't Hüss,

en niet wu Mostert nor et Äte, ok Minna wörd hier niet vergäte.

Et was en häweg Herbergshüss, en jeder was met en dor t'hüss.

Et moiste was, Bernd te besüke, man deij niet so wie van Dag früte.

En Borltje kom dann ob den Dess en üt de Pann en leck're Fess.

Ok Koffi, Weck en Appletaart, dat stung bej Käthe stets parad.

Geen Wonder, dat de Schockeward, onmöndeg völ Bezükers hadd. Döck gof et laater groot Pläsier, want Bernd denn gung now an't Klavier. En Liedjes klonge dör de Nacht, van de fidele Landwirtschaft.

Gen Menz docht now mehr an sin Rüwe, se deije liewer lecker prüwe.

En Stadt'se was en kier dorbeij, denn kennde nex van Burdereij.

Heij hielt so hier en door sinn Schmüske, ob ens moss hej well nor et Hüske.

Dat leij net näwen ´d Poggeschott, wohenn hej fond ok gut en flott.

En Pöske laater, achter't Bier: "Ach, sagen Sie, Herr Bossmann mir,

die Schweine liegen in Papier?

Wenn ich nun recht es hab vernommen, von Zeitungen ist es gekommen?"

En Bernd, denn lacht, sät: "Jo, Herr Reese, wej sin all stets modern gewese. So häbbe se allteijt wat te leese!"

(moha)
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