Emmerich Das blaue Wunder erleben

Emmerich · Das Ende des Freizeitbads Sternbusch naht. In knapp sieben Wochen wird die 40 Jahre alte Anlage, die auch viele Emmericher besuchen, geschlossen.

 Blick vom Zehnmeterturm auf die Becken.

Blick vom Zehnmeterturm auf die Becken.

Foto: Stadtwerke Kleve

Es bot jahrelang Urlaub vor der Haustür für wenig Geld - und dies seit 1975. Das Klever Freizeitbad Sternbusch war auf der Suche nach Abkühlung im Sommer immer die erste Adresse. Für drei Euro gibt es heute zehn Stunden Schwimmspaß. Der "Sternbusch", wie die Ansammlung der Wasserbecken schlicht genannt wird, veränderte sich in den Jahren kaum. Auch wenn irgendwann eine Rutschanlage hinzukam, blieb es immer das, als was es auch gebaut wurde: ein Sportbad. Denn es gibt immer noch Leute, die nicht nur um zu planschen, ins Freibad kommen.

Doch sind die Tage des Bades im Busch gezählt. Geplant ist, dass am Sonntag, 6. September, der Stöpsel gezogen wird. Das Ende der Saison ist auch das Ende der Anlage. Es wird mit dem Bau eines Familienbades begonnen, zu dem dann auch ein neues Hallenbad gehören wird. Bis einschließlich 2017 wird an der Fertigstellung des Kombibades, so heißen heute alle neuen Schwimmanlagen, gearbeitet. Für das Projekt sind satte 20 Millionen Euro eingeplant.

Jetzt bleiben knapp sieben Wochen Zeit, in denen man noch einmal Kacheln zählen kann, oder um sich auf der Liegewiese einen Platz zu suchen. Und den fand man dort bislang problemlos. In dieser Saison sind die Besucherzahlen bescheiden. 37 700 Schwimmer wurden gezählt. Wie sollte es auch anders sein, wenn der Sommer hierzulande auf zwei Wochen im Juli fällt.

Arnold Lamers, der bei den Stadtwerken für die Bäder zuständig ist, will 2015 aber noch nicht vollends abschreiben. Dafür sei es noch zu früh, so Lamers. 43 Besucher ist der aktuelle Minusrekord für einen Tag, 5000 der Höchstwert. 1976 wurde die Bestmarke von 186 000 Schwimmern in einer Saison aufgestellt. Im Vergleich dazu: 2014 waren es 56 000. Doch wäre es zu einfach, das Bad allein durch Besucherzahlen zu bewerten. Denn seine Geschichte ist lang und ereignisreich. Bereits 1959 wurden erste Gespräch mit dem Forst über das Grundstück im Sternbusch geführt. Nachdem 1964 in der Rheinischen Post vorschnell berichtet wurde: "Startschuß für das Freibad fiel", wurde es schließlich 1975 - elf Jahre später eröffnet. Die Pläne für den Bau stammen von dem Klever Architekten Dr. Toni Hermanns, der sich in einem Wettbewerb durchgesetzt hatte.

Ein Mann, der ab der Eröffnung dabei war, ist Karl Noy. Der heute 83-Jährige stand als Erster auf dem erhöhten Bau, der mit dem Schriftzug Schwimmmeister versehen war. Noy war eine Autorität am Beckenrand. Wenn der weiß gekleidete Mann beim Auftauchen vor einem stand, waren Regeln verletzt worden. Nicht selten zeigte er auf das Schild, das zur Standardausrüstung jedes Freibads gehört: "Springen vom Beckenrand verboten".

Noy ist vielen Klevern auch als Schwimmmeister im Hallenbad bekannt, wo er nach erfolgreicher Prüfung Frei- und Fahrtenschwimmer-Abzeichen für die Badehose ausgab. Als er den Dienst im Freibad antreten musste, hielt sich seine Begeisterung für den neuen Arbeitsplatz unter freiem Himmel in Grenzen. "Ich wäre lieber im Hallenbad geblieben. In den Sternbusch kamen Tausende, auf die ich aufpassen musste", sagt Noy. Das hat er offenbar gut gemacht, wie er selbst feststellt: "Bei mir ist keiner ertrunken."

Ein Alleinstellungsmerkmal besitzt das vier Jahrzehnte alte Bad zweifellos: Die 50-Meter-Bahn ist keine 50 Meter lang. Sie ist zu kurz. Vor einem offiziellen Wettkampf wurde diese amtlich vermessen, dabei wurden die fehlenden Zentimeter entdeckt.

Der damalige Klever Beigeordnete Wilhelm Pfirrmann (ein Emmericher) kommentierte in einem Anflug sportlicher Ahnungslosigkeit, dass es nicht so schlimm sei. Der Stadtbedienstete hoffte durch die verkürzte Strecke auf eine Rekordflut in dem Klever Becken.

Auch die Sprungtürme des Freibads sind unerreicht. Zumindest im Kreis Kleve. Aus zehn Metern Höhe war nur in Kleve möglich, ins Wasser einzutauchen. 2012 sperrte die Stadt jedoch den Zehn- und 7,5-Meter-Turm. Die Unfälle von diesen Plattformen häuften sich. Der schwindende Respekt der Springer vor der Höhe war ein Grund für steigende Verletztenzahlen.

Bis Ende der 80er Jahre war das Sternbuschbad bei einigermaßen schwimmtauglichen Temperaturen immer gut gefüllt. Sommer war erst, wenn die ersten Züge gemacht waren. Im Sternbusch traf und trifft sich die Jugend, nicht allein zum Schwimmen, sondern auch um möglichst lässig über das Areal zu schlendern. Man aß Pommes und saß dabei auf den Steintreppen an der 50-Meter-Bahn, die keine war. Dazu wurde Chlor eingeatmet und sich über Bauchplatscher im Springerbecken gefreut. Mindestens zwei Jahre wird man darauf verzichten müssen.

Die Sehnsucht, das blaue Wunder wieder zu erleben, wird in dieser Zeit steigen. 2018 fängt dann der Urlaub im Sternbusch wieder direkt hinterm Zaun an.

(RP)
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