Haldern Abitur mit 51

Haldern · Alle reden von Schulzeitverkürzung und Turbo-Abitur. Die Schüler sollen möglichst schnell Abitur machen und jung zur Uni gehen. Doris Bockermann liegt da nicht im Trend: Sie hat mit 51 Jahren ihr Abi gemacht.

Da konnte auch die Tochter nur noch staunen. „Mama kannst du mir nicht deine Noten geben?“, scherzte die 16-jährige Greta, wenn ihre Mutter mal wieder eine sehr gute Klausur mit nach Hause brachte. Denn während andere Mütter Klassenarbeiten nur noch von den eigenen Kindern kennen, hatte sich Doris Bockermann mit 48 Jahren dazu entschieden, noch einmal selbst die Schulbank zu drücken. Mit großem Erfolg: Das Abitur bestand sie jetzt mit der Traumnote 1,1 (735 Punkte). Da kann man als Tochter schon mal neidisch werden.

„Ich habe immer gerne gelernt, und irgendwann habe ich mir gedacht: Ich versuche es einfach noch mal“, erzählt Doris Bockermann. Der Zufall sorgte dafür, dass plötzlich alles ganz schnell ging. Sie hatte gehört, dass man in Bocholt auf dem Abendgymnasium das Abitur machen kann, hatte einfach mal angerufen – und ausgerechnet war am selben Abend eine Informationsveranstaltung. Doris Bockermann fuhr hin, kam mit Claudia Naatz ins Gespräch und war sofort begeistert. „Sie hat mich ermutigt, den Schritt zu wagen und mir sämtliche Bedenken genomen“, berichtet Doris Bockermann. Die nette Dame vom Infoabend wurde fortan ihre Klassenlehrerin, und die damals 48-Jährige war plötzlich wieder Schülerin. Mit Stundenplan, Pausenbrot und Hausaufgaben. Eine Rieseumstellung. Schließlich hatte Doris Bockermann Anfang der 70er Jahre zuletzt in einer Schulklasse gesessen, da hatte sie den Realschulabschluss in Augsburg gemacht.

Ihre neuen Klassenkameraden waren im Durchschnitt 20 Jahre jünger als sie. „Die hätten meine Kinder sein können“, lacht Doris Bockermann. Auch viele Lehrer waren jünger als die Schülerin. Damit gab es keine Probleme, mit zwei Lehrern war sie sogar per Du. „Ich fand das ganze einfach nur klasse“, berichtet sie. Wie im Flug sei sie durch die drei Jahre Oberstufe gerauscht. Eine Zeit, die für andere Stress bedeutet hätte. Denn montags bis donnerstags stand nach der Arbeit in der Verwaltung der Drogenklinik „Horizont“ in Rees von 18 bis 22 Uhr Mathe, Physik, Biologie oder Deutsch an. Zeit für Freizeit blieb da kaum. Ihre Familie habe sie dabei unterstützt. „Wenn mein Mann mir im Haushalt nicht den Rücken freigehalten hätte, wäre das gar nicht möglich gewesen.“

Das wird er auch in Zukunft tun. Im Herbst will Doris Bockermann mit dem Studium beginnen. Gerontologie in Vechta. Mit 51 Jahren. „Ich freue mich schon auf die Studentenbude“, lacht sie.

(RP)
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