Rp-Serie China 8 Zeng Fanzhi: Von Hasen und alten Männern

Duisburg · Die RP stellt in einer Serie ausgewählte Werke der "China 8"-Schau vor. Heute geht es um Zeng Fanzhi.

 Albrecht Dürer bot die Vorlage für dieses Motiv, das Zeng Fanzhi auf eine vier mal vier Meter große Leinwand malte. Das obere Bild "Ohne Titel" erinnert an die Rollbilder des alten China.

Albrecht Dürer bot die Vorlage für dieses Motiv, das Zeng Fanzhi auf eine vier mal vier Meter große Leinwand malte. Das obere Bild "Ohne Titel" erinnert an die Rollbilder des alten China.

Foto: Christoph Reichwein

Das ist doch...? Ja, er ist es - der Hase von Dürer! Mitten in der Ausstellung " CHINA 8 - Das Vokabular der sichtbaren Welt" im Museum Küppersmühle für moderne Kunst (MKM) am Duisburger Innenhafen hängt ein großes Gemälde von Zeng Fanzhi (1964 in Duisburgs Partnerstadt Wuhan geboren), einem der bekanntesten und überaus gefragten chinesischen Künstler. Er nutzt eine der berühmtesten Zeichnungen des deutschen Renaissancekünstlers Albrecht Dürer (1471 - 1528) als Ausgangspunkt für ein beeindruckendes Bild. Dürer nahm für seine Zeichnung ein kleines Blatt von 25 mal 22 Zentimetern - Zeng Fanzhi verwendet eine vier mal vier Meter große Leinwand, auf der aus dem putzigen Nagetier ein fast furchteinflößender Riese wird.

Wie im Vorbild kauert er sich an den Boden und schaut den Betrachter an. Der chinesische Künstler setzt den Hasen aber auf eine mit kräftig-breiten Pinselstrichen gefüllte Leinwand und mitten in pink-gelb-türkis leuchtende Farbspuren. Immer ist der Pinsel tief in Farbe getaucht, zügig setzt er seine Malerei um. Die starke und hier fremd wirkende Farbgebung erinnern an Andy Warhols Pop-Art-Porträts berühmter Figuren: etwa die Goethe-Büste, nach einem Gemälde von Tischbein zitierte oder die Serie mit dem Bildnis der Monroe nach einem Foto von Gene Korman.

Rp-Serie China 8: Zeng Fanzhi: Von Hasen und alten Männern
Foto: Christoph Reichwein (crei)

Dem Hasen gegenüber hängt ein weiteres von Dürer inspiriertes Bild, ebenfalls 16 Quadratmeter groß: Aus der kleinformatigen Zeichnung eines über 90-jährigen Mannes wird ein monumentales Bildnis des Alters. In diesem Format wird jede Falte im Gesicht zu einer Reise in die Lebensjahre des den Kopf aufstützenden Greises. Die introvertierte Haltung und Geste wirkt aber durch den farblich verfremdend-kontrastierenden Hintergrund irritierend, unruhig, vibrierend. Es scheint, als würde die Ruhe des Mannes gestört und die hektische Realität Überhand gewinnen. Damit wäre es fast ein Abbild der rasanten Entwicklung Chinas nach dem Tod Maos und dessen (unter anderem) gescheiterter Kulturrevolution. Siegt also vielleicht doch das Alte über das Neue und hat Bestand? Ist eine Gegenwart ohne Vergangenheit nicht denkbar? Der Alte ist nachdenklich und hat Erfahrung. Aber er ist - wie der Hase - hinter dichtem Gestrüpp verschanzt. Zu seiner Sicherheit oder aber weil die Erinnerung an Vergangenes dadurch entrückt und kaum erreichbar ist. Der Künstler bleibt eine Antwort schuldig - oder spricht er doch durch seine Bilder eine klare Sprache?

Ein drittes Bild des Künstlers scheint dies zu manifestieren (oben): "Ohne Titel" ist es, aber sofort erkennen wir eine langestreckte Landschaft, die sich monumental über zwei mal acht Meter erstreckt. Das lange und schmale Format erinnert an die Rollbilder des alten China, die ebenso meditativ wie informativ weite und detaillierte Ansichten offenbaren. Der Tradition folgt Zeng Fanzhi nur indirekt, zumal es sich hier um ein klassisches Ölgemälde auf Leinwand handelt.

Im Mittelgrund entdeckt man eine geheimnisvoll strahlende Zone, die der Situation eine beklemmende und unerwartete Atmosphäre verleiht. Das Licht ist nicht fassbar, weckt beim deutschen Betrachter aber durchaus Erinnerungen an Moorlandschaften im Norden, an Fantasien und (Alp-)Träume. Der Künstler führt selbst an, dass es sich hier nicht um reale Landschaften handelt, sondern vielmehr um "fantastische Offenbarung (...) eine Entdeckungsreise voller Unruhe".

Zeng Fanzhi gehört in China und auch weltweit zu den gefragtesten und hoch gehandelten Künstlern. Der massiv boomende Kunstmarkt in China und der Handel mit zeitgenössischer chinesischer Kunst bescherte ihm im Jahr 2014 unter anderem bei Sotheby's einen Versteigerungserfolg von knapp 18 Millionen Euro für seine Fassung des letzten Abendmahls.

(RP)
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