Serie Menschen Für Gesundheit Wie ein Kiefer ersetzt wird

Duisburg · Wenn man einen Kieferknochen verliert, ist es dank moderner Medizin möglich, den Knochen zu rekonstruieren und so die Grundlage zu schaffen, wieder normal zu leben. Horst Pollert ist ein Beispiel für diese erstaunliche Möglichkeit.

 Mit Patient Horst Pollert (vorne) strahlen seine Ehefrau Margit (2.v.l.), Dr. Nuriye Dilmac (2.v.r.), Dr. Denis Paksoy, zahnärztlicher Leiter des MZV (3.v.r.), Marius Krawczyk, Geschäftsführer von Ergodent (r.) und seine Mitarbeiterin Jaqueline Teklote (l.).

Mit Patient Horst Pollert (vorne) strahlen seine Ehefrau Margit (2.v.l.), Dr. Nuriye Dilmac (2.v.r.), Dr. Denis Paksoy, zahnärztlicher Leiter des MZV (3.v.r.), Marius Krawczyk, Geschäftsführer von Ergodent (r.) und seine Mitarbeiterin Jaqueline Teklote (l.).

Foto: Bianca Treffer

"Ich freue mich schon jetzt auf mein erstes Steak", sagt Horst Pollert. Dabei lächelt der Duisburger vorsichtig. So ganz kann er es der 73-Jährige noch nicht fassen, dass er demnächst wieder wie jeder normale Mensch essen kann. Zweieinhalb Jahre wurde er mittels Magensonde ernährt. Dass er nun wieder in der Lage sein wird, selbstständig Nahrung aufzunehmen, ist für ihn ein kleines Wunder. Für das Medizinische Versorgungszentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (MVZ) des Malteser Krankenhauses St. Johannes-Stift in Homberg hingegen ist es das Ergebnis einer engen teamorientierten Zusammenarbeit. Wobei die in diesem Fall über anderthalb Jahre reichte und ihren Anfang in den Kliniken für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Malteser Krankenhäuser in Homberg und Krefeld-Uerdingen nahm.

Aufgrund einer Tumorerkrankung fehlte Horst Pollert der Unterkieferknochen, und es existierten auch keine Weichteile mehr. Alles hatte entfernt werden müssen. In mehreren Operationen wurde der Kieferknochen mit Hilfe eines Stück Wadenknochens von Horst Pollert wiederaufgebaut. Die Weichteile entstanden mittels Hautransplantation vom Oberschenkel des Betroffenen. Damit waren die Grundvoraussetzungen geschaffen Implantate für eine Prothese zu setzen. Horst Pollert erhielt im Oberkiefer zwei und im Unterkiefer vier Implantate.

Aufgrund der Vorerkrankung lag eine starke Vernarbung vor. "Wir konnten allein bei den Abdrucken nicht mit konventionellen Mitteln arbeiten", berichtet Dr. Nuriye Dilmac vom MVZ. Stattdessen kamen Babylöffel zum Einsatz, um eine erste anatomische Abformung zu erreichen. Anhand dieser Abformungen erstellte das Duisburger Dentallabor Ergodent, mit dem das MVZ zusammenarbeitet, einen Speziallöffel aus Kunststoff her. "Wir haben quasi einen ganz individuell angepassten Löffel geschaffen", beschreibt Zahntechnikermeister Marius Krawczyk, der Geschäftsführer von Ergodent, die Vorgehensweise.

Der wiederum verhalf zu den Abdrucken mit denen das Dentallabor weiterarbeiten konnte. Nicht nur die Abdrücke an sich sind wichtig, damit später Beiß- und Kaufunktionen reibungslos ablaufen. Es gilt die beiden Kieferhälften so aufeinander abzustimmen, damit die spätere Bewegung überhaupt entsprechend möglich ist. Sie muss ganz genau der Anatomie des Patienten entsprechen. Im vorliegenden Fall war es kein einfaches Unterfangen. "Unser Patient hat hervorragend mitgearbeitet. Es waren schon einige Sitzungen", lobt Dilmac.

Für alle Beteiligten war es daher ein großer Moment, als Horst Pollert zum ersten Mal die Ober- und Unterkieferprothese eingesetzt bekam. "Es ist wunderbar geworden und ich kann mich für die tolle Versorgung nur bedanken", sagt Horst Pollert mit Rührung in der Stimme. Auch Ehefrau Margrit strahlt. Für sie ist es genauso unfassbar, dass ihr Mann nun nicht mehr auf die Magensonde angewiesen ist, sondern wieder selber essen kann. Allerdings dauert es mit dem Steak noch etwas, was aber nicht an den Zähnen liegt.

Zahntechnisch dürfte der Patient sofort zulangen. Die Zerkleinerung von Speisen und der Schluckakt sind für die meisten Menschen selbstverständliche Automatismen. Herr Pollert hingegen muss dies neu erlernen. Auch der Magen muss sich erst wieder langsam an feste Nahrung gewöhnen. Mit weicher leichter Kost geht es nun Schritt für Schritt los. "Es ist ein unglaubliches Gefühl", freut sich Horst Pollert.

Eine Arbeit müsse funktional und ästhetisch stimmen, betont indes Dr. Denis Paksoy. Das gelinge nur so hervorragend, gerade auch in solchen Extremfällen, da alle als Team exzellent zusammenarbeiten würden, fügt der zahnärztliche Leiter des MZV an. Seine Aufgabe besteht neben der Tätigkeit als Behandler vor allem in der Koordination von Behandlungsabläufen. Das MVZ für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde übernimmt die zahnärztliche Behandlung von Patienten nur auf Wunsch der Überweiser. Sehr häufig handelt es sich um medizinisch anspruchsvolle Patienten. Paksoy entscheidet dann, welche Behandlungsschritte unter stationären und welche unter ambulanten Bedingung erfolgen können: "Die Nähe zu den Überweisern, zu den Abteilungen des Krankenhauses und zu den Dentallaboren ist entscheidend, um besonders schwierige Fälle erfolgreich lösen zu können."

(RP)
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