Duisburg "Weihnachten ist für die Familie"

Duisburg · Celine (17) und Natja (16) leben in einer Wohngruppe des Kinder- und Jugendheims der Caritas in Obermarxloh. Die Weihnachtszeit ist für die beiden besonders anstrengend. Doch sie fühlen sich wohl im Heim. Und Mitleid nervt sie.

 Natja (r.) und Celine leben in einer Mädchenwohngruppe des Jugendheims der Caritas. Weihnachten ist auch für die beiden ein Fest der Familie.

Natja (r.) und Celine leben in einer Mädchenwohngruppe des Jugendheims der Caritas. Weihnachten ist auch für die beiden ein Fest der Familie.

Foto: Tim Harpers

Natja und Celine sind beste Freundinnen. Sie machen alles zusammen. Wenn sie aus der Schule kommen, lernen sie. Sie quatschen über Jungs, planen ihre gemeinsamen Abende oder gehen Einkaufen. Und wenn sie Probleme haben - was in der Pubertät ja immer mal vorkommt - sind sie füreinander da. So weit, so normal. Aber Natja und Celine teilen noch viel mehr. Sie teilen sich ein Bad, eine Küche, ein Wohnzimmer, ein gemeinsames Leben. Ein Schicksal getrennt von ihren Familien. Natja und Celine leben mit acht anderen Mädchen in einer Wohngruppe des Caritas-Jugendheims in Obermarxloh. Es war nicht ihre Entscheidung. Das Jugendamt hat es so bestimmt.

Die Mädchenwohngruppe findet sich in den oberen beiden Etagen eines unscheinbaren Backsteinhauses an der Kantstraße. Es gibt zehn Schlafzimmer, vier Bäder, eine Küche, Büros und zwei Gemeinschaftsräume. Es ist gemütlich. Das Türfenster zum Wohnzimmer ist weihnachtlich mit Glasfarben verziert, auf der Durchreiche zur Küche steht ein Adventskranz und an den Wänden im Flur der Wohngruppe hängen Tannenzweige und ein rot-weißer Strumpf. Auf den Fensterbänken finden sich hölzerne Wichtel und beleuchtete Sterne. Alles hier schreit Weihnachten. Was fehle, sei der Baum, sagt Natja. Der komme aber in den nächsten Tagen. "Den schmücken wir in der Woche vor Weihnachten immer gemeinsam."

Die Tage vor dem Fest sind für die Mädchen eine anstrengende Zeit. Wenn ihre Freundinnen in der Schule darüber reden, dass sie mit ihren Eltern Plätzchen gebacken, einen Adventskranz gebastelt oder einen Baum ausgesucht haben, werden die beiden Mädchen manchmal mitleidig angeschaut. Dabei machen sie all diese Dinge auch, nur eben ohne ihre Eltern. "Das Mitleid nervt", sagt Natja. "Das brauchen wir nicht." Denn die Weihnachtszeit sei auch für sie schön, nur etwas anders. Wie das Leben im Heim überhaupt.

Der wohl wichtigste Unterschied seien die vielen Regeln. "Doch wo zehn Mädchen zusammenwohnen, da geht es nicht ohne", sagt Celine. An einem Tag in der Woche ist Haushaltstag. Um 18 Uhr essen alle gemeinsam zu Abend. Wer über 16 ist, darf sich zweimal in der Woche vom Essen abmelden. Unter der Woche müssen die Mädchen 21.15 Uhr Zuhause sein, am Wochenende um 23.45 Uhr. Wer außerhalb übernachten möchte, der muss die Betreuer fragen. "Die rufen dann bei den Eltern unserer Freunde an, und erkundigen sich, ob das in Ordnung geht", erklärt Celine. Davon abgesehen, sei aber alles hier normal. "Wie in einer großen Familie. Nur eben ohne Jungs." Die dürfen zwar zu Besuch kommen, die Zimmer der Mädchen aber nicht betreten. "Da achten die Betreuer drauf", sagt Nadja.

In den Tagen vor dem Fest steht auch im Jugendheim Plätzchenbacken auf dem Programm. "Das machen wir gemeinsam in der Küche", sagt Celine. Das sei jedes Mal eine große Sauerei. "Aber die Mädels, die backen, räumen dann hinterher auch auf." Geschenke gebe es für einige der Mädchen bereits einen Tag vor dem Fest. "Wir dürfen uns für einen bestimmten Betrag etwas wünschen. Die Betreuer besorgen das dann." Wer über Weihnachten zur Familie dürfe, bekomme das Geschenk dann mit. "Die, die hier feiern, packen die Päckchen an Heiligabend unter dem Baum aus."

Natja lebt schon seit mehreren Jahren im Heim. Zuhause feiern kommt für sie nicht infrage. "Ich will nicht zurück", sagt sie. "Ich kann aber jedes Mädchen verstehen, das es anders sieht." Wichtig sei nur, dass sie dort feiern wolle, wo sie sich wohlfühle. Und das sei im Heim.

Wer nach Hause darf und wer nicht, darüber entscheidet das Amt. Celine darf. Und sie freut sich. "Weihnachten ist für die Familie da", sagt sie. "Ich fühle mich hier sehr wohl. Aber meine Eltern bleiben meine Eltern. Und zu Weihnachten gehöre ich da hin." Traurig sei sie nur über die kurze Trennung von ihrer besten Freundin. "Aber das ist ja nicht für lang", sagt Celine. "Ein paar Tage, dann bin ich wieder zurück." Natja lächelt. "Ich freu mich drauf", sagt sie. Denn über Weihnachten sei es hier immer sehr ruhig. "Es ist schöner, wenn alle da sind. Schließlich teilen wir alles." Ein Bad, eine Küche, ein Wohnzimmer, ein Leben. "Die Mädchen sind für mich Familie." Und die zusammenzuhaben, das mache die Weihnachtszeit doch aus.

(th)
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