Thema Jahresrückblick Was nach Adolf Sauerlands Abwahl kam

Duisburg · Einen Neuanfang sollte es nach der Abwahl von Adolf Sauerland geben. Doch ist jetzt alles besser als vorher? Aus Sören Links Vorsatz, zum Wohl der Stadt und nicht einer einzelnen Partei zu arbeiten, ist jedenfalls bislang nicht immer etwas geworden.

Duisburg: Das ist Oberbürgermeister Sören Link
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Duisburg hat sich in den vergangenen zwölf Monaten politisch mit Rennwagen-Tempo verändert und dabei — wieder einmal — bundesweit Aufsehen erregt. Denn dass Bürger wie im Februar geschehen mit deutlicher Mehrheit ihr Stadtoberhaupt abwählen (und das auch noch ohne zu wissen, was folgt), das war bundesweit für eine Großstadt schon einmalig.

Mit dem Schlagwort vom "Neuanfang" überzeugten Adolf Sauerlands Gegner rund 120 000 Wähler, ihn in die Wüste zu schicken. Ein großer Teil dieser Bürger war es leid, dass ihre Heimatstadt immer und immer wieder mit der schrecklichen Loveparade-Katastrophe und noch mehr mit dem darauffolgenden Verhalten des Stadtoberhauptes schlecht gemacht wurde. Eine Chance zur Gesundung, die gab es für sie nur ohne Sauerland. Und das Versprechen der Abwahl-Initiatoren, über Parteigrenzen hinweg mit einem fähigen Spitzenmann (-frau) den Neustart zu wagen — das klang gut, sehr gut sogar.

Die Skeptiker, die an solch einen Start nicht glaubten und befürchteten, dass Duisburgs Sozialdemokraten eine Kampagne nur mit dem Ziel angezettelt hatten, sich den Hut (wieder) aufsetzen zu können, waren in der Minderheit. Doch sie behielten recht.

Zunächst fand sich angeblich kein gemeinsamer OB-Kandidat von Grünen, Linken, SPD und Abwahlinitiative. Es fand sich in ganz Deutschland angeblich keine Persönlichkeit, die sich für diese undankbare Aufgabe zur Verfügung stellen wollte. Es fanden sich selbst in der SPD keine Kandidaten, die sich um diesen Job rissen. Und so fiel die Entscheidung auf den damaligen SPD-Landtagsabgeordneten Sören Link. Der damals 35-Jährige hatte bis dahin so gut wie keine kommunalpolitische Erfahrungen gesammelt und war parteiintern nicht unumstritten. Etliche seiner Parteifreunde trauten ihm nicht zu, dass er dieser schweren Aufgabe überhaupt gewachsen ist und unkten, dass er eh nur die Marionette von "King Ralf" — Duisburgs starker Parteichef und Innenminister Ralf Jäger — sei. Der halte alle Fäden fest in der Hand und bestimme den künftigen Stadtkurs.

Sören Link bemüht sich seit seiner Wahl im Sommer nach Kräften, diesem Eindruck entgegenzuwirken und ackert mit beachtlich großem Fleiß auf einem riesigen Feld, auf dem ein Stolperstein nach dem nächsten auf ihn lauert. Zu beneiden ist der Walsumer mit nichten. Er versucht gleichermaßen, Ansprechpartner für Bürger, Politik und Verwaltung zu sein. Er versucht, sich in alle Problemgebiete einzuarbeiten und es nach Möglichkeit allen recht zu machen, ohne sich dabei zu verbiegen. Aus seinem Vorsatz, zum Wohl der Stadt und nicht einer einzelnen Partei zu arbeiten, ist bislang nicht immer etwas geworden. Oder ist es etwa zum Wohl der Steuerzahler, wenn der sozialdemokratische Fraktionschef Uwe Linsen eine hochdotierte Chefstelle bei den Wirtschaftsbetrieben bekommt? Oder wenn neue Strukturen innerhalb der Verwaltung eingezogen werden, um den sozialdemokratischen Einfluss zu verstärken? Und das ganze passiert keineswegs klamm und heimlich, sondern mit einem offen zur Schau getragenen Streben der Macht.

Die beiden Bündnispartner der SPD im Rat, die Linken und die Grünen, machen all das bereitwillig mit. Ihnen scheint schon allein das Gefühl zu reichen, wichtig zu sein. Viel zu melden haben sie nicht mehr. Und weil die Grünen ihre internen Zickereien nicht begraben können, sind und bleiben sie ein unsicherer Kontorist. Dass die Linken bei der Landtagswahl in Duisburg erheblich verloren haben, das ist der SPD nicht verborgen geblieben und dürfte bei ihr die Hoffnung gestärkt haben, ihre an die Sozialisten verloren gegangenen Wähler wieder zurückgewinnen zu können.

Gegenwind müssen die Sozialdemokraten von Links und Grün kaum fürchten, aber auch nicht von der Ratsopposition. Die CDU hat sich bis heute noch nicht von der Sauerland-Schlappe wirklich erholt und hat mit Rainer Enzweiler einen neuen Fraktionschef (für die in den Landtag gewechselte Petra Vogt) gewählt, der sich in seiner Rolle erst noch einfinden muss. Intellektuell ist er den meisten Ratsmitgliedern haushoch übergelegen. Aber Intelligenz reicht nicht aus, um politisch Profil zu gewinnen, zumal dann nicht, wenn die Zuhörer den Gedankengängen nicht immer zu folgen in der Lage sind.

Dabei böte die Politik der Ratsminderheit jede Menge Anlässe zum Angriff. Zwei kräftige Ohrfeigen gab es (vom Gericht) beispielsweise für den von Rot-Rot-Grün angezettelten Versuch, die Stadtkasse mit Einnahmen aus der Betten- beziehungsweise der Sexsteuer zu füllen. Die Einnahmen fehlen. Und im Haushaltsplan lauern etliche weitere Fallen: Was wird beispielsweise die Ablehnung, zwei weitere Prozent am Klinikum an Sana zu verkaufen, für Konsequenzen haben, wenn es um die Finanzierung der dringend notwendigen baulichen Sanierung des Hauses geht? Modernisierungsstau im Zoo, im Lehmbruck-Museum, in Schulgebäuden, bei Brücken und Straßen im Stadtgebiet — woher soll das Geld kommen? Dank der Landeshilfe hat Duisburg zwar wieder einen Haushalt, der die Aufnahme von Krediten ermöglicht. Aber am Ende muss 2016 mindestens eine schwarze Null stehen.

Mit der Abwahl Sauerlands ist das Thema Loveparade-Katastrophe zwar deutlich verblasst (zumindest vorerst), aber aufgearbeitet worden ist dieses Trauma nicht. Daran ändert auch nichts, der OB Link am 2. Jahrestag des Unglücks eine bemerkenswerte Rede hielt und auf der Betonplatte am Bahnhof 21 Kübel mit je einem Magnolienstrauch — für jedes der Opfer einen — medienwirksam aufstellen ließ. Sie wirken derzeit allerdings sehr kümmerlich. Aber der nächste Sommer kommt ja bestimmt. Und vielleicht blüht dann ja nicht nur dort etwas Schönes auf.

(RP/ila)
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