RP-Serie China 8 Wang Guangle: Bilder vom (Über-)leben

Duisburg · Das Museum Küppersmühle (MKM) beteiligt sich wie das Lehmbruck-Museum an der großen China-Ausstellung. Wir stellen in einer Serie ausgewählte Werke der "China 8"-Schau vor. Heute geht es um Wang Guangle und Ding Yi im MKM.

 In seinen "Coffin Paints" (Sargmalereien) und bedeckt Wang Guangle seine kompakten Leinwände mit einer Vielzahl von Farbschichten, von denen die auf die vorhergehende folgende immer ein wenig kleiner ist als die zuvor gemalte.

In seinen "Coffin Paints" (Sargmalereien) und bedeckt Wang Guangle seine kompakten Leinwände mit einer Vielzahl von Farbschichten, von denen die auf die vorhergehende folgende immer ein wenig kleiner ist als die zuvor gemalte.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Bei aller Modernität im heutigen China schauen auch zeitgenössische Künstler immer wieder auf die Tradition. Der Maler Wang Guangle (Jahrgang 1976) gehört dazu und die Betrachtung der Zeit, vor allem der Lebenszeit, liegt im Mittelpunkt seines Interesses. Zeit könne alles verändern, sagt er, und die Beobachtung dieser Veränderungen nimmt für ihn einen großen Stellenwert in seinem künstlerischen Denken und Schaffen ein. Das Museum Küppersmühle für moderne Kunst (MKM) präsentiert Wang Guangle im Rahmen der großen CHINA 8-Ausstellung.

 Abstrakt, aber ohne traditionellen Bezug zur chinesischen Kunst arbeitet der 1962 geborene Künstler Ding Yi.

Abstrakt, aber ohne traditionellen Bezug zur chinesischen Kunst arbeitet der 1962 geborene Künstler Ding Yi.

Foto: Christoph Reichwein

Verweise auf die Vergänglichkeit des Seins ist auch in der europäischen Kunst stets ein zunächst religiös, später auch im weltlichen Dasein motiviertes Thema. Im europäischen Mittelalter und der Renaissance ging es immer um Mahnung zu einer rechtschaffenen Lebensführung oder später um die Aufforderung, das Leben zu genießen - Carpe diem! Im vor allem buddhistisch und konfuzianisch geprägten China dagegen ist man da durchaus flexibler: Ein Chinese kann mehreren Religionen gleichzeitig anhängen. Ein Sprichwort sagt: "Ein Chinese ist Konfuzianer, wenn es ihm gut geht, er ist Daoist, wenn es ihm schlecht geht, und er ist Buddhist im Angesicht des Todes."

So wundert es vielleicht weniger, dass es in der Provinz Fujian üblich ist, dass man sich dort zum 60. Geburtstag einen Sarg kaufte. In anderen Provinzen gehört es sogar zur Tradition, dass der älteste Sohn seinem Vater einen Sarg schenkt, denn der 60. Geburtstag gilt als Langlebigkeitstag. So wird von über Hundertjährigen berichtet, die mit Freuden den Sarg als ständige Sitzgelegenheit nutzen. An jedem weiteren Geburtstag wird der Sarg frisch lackiert und mutiert so zum Zeichen der Freude über ein weiteres erlebtes Jahr.

In seinen "Coffin Paints" (Sargmalereien) geht der Maler Wang Guangle auf diese Tradition ein und bedeckt seine kompakten meist quadratischen Leinwände mit einer Vielzahl von Farbschichten, von denen die auf die vorhergehende folgende immer ein wenig kleiner ist als die zuvor gemalte. Durch die knappe Verkleinerung entsteht ein horizontales Streifenmuster, das auf den ersten Blick unscharf und flirrend wirkt. Der Betrachter scheint in andere Bewusstseinsebenen zu wechseln. Meditativ wirkt es auf den einen und spirituell auf den anderen Menschen, der sich so in Gedanken vom Kunstwerk entfernt und nicht mehr die Leinwand anschaut, sondern eher in sich selbst blicken mag. Vor allem bei den schwarz-weiß Bildern tritt dieses Phänomen auf.

Aber auch die aus teils kräftigen oder aber zarten Tönen geschaffenen Leinwänden können diesen Effekt erzeugen. Zu einem wahren Seh-Erlebnis werden die Bilder von Wang Guangle aber erst, wenn sie auch von der Seite betrachtet werden. Dann wird deutlich, wie dick die Farbe aufgetragen wird und dass diese an den Seiten herunterläuft und das Bild so fast zum Objekt wird. Alles fließt. So auch das Leben. Möglichst lang, möglichst interessant, hoffentlich gesund.

Ebenso abstrakt, doch ohne traditionellen Bezug arbeitet Ding Yi (Jahrgang 1962), der ebenfalls im MKM präsentiert wird. Er gehörte zu den ersten zeitgenössischen Künstlern, die außerhalb Chinas bekannt wurden. Als einer der ganz wenigen abstrakt arbeitenden chinesischen Künstler hat er schon seit Anfang der 1990er Jahre an vielen Ausstellungen teilgenommen, doch sind seine Bilder in den Medien nur selten veröffentlicht worden. Offensichtlich entsprach seine Arbeitsweise nicht den damals so gefeierten und mit starkfarbigen und scheinbar heiteren Sujets der anderen Künstler.

Sein Ausgangspunkt ist die Urbanisierung der riesigen Großstädte des Landes und hier vor allem sein Wohnort Shanghai, dessen Bauboom und vor allem nachts durch die immense Beleuchtung grell wirkende Erscheinung für ihn bemerkenswert ist. Seine Bilder entstehen in einem mühevollen und langwierigen Prozess, in dem kleine Quadrate Strich für Strich gemalt werden. Jedes einzelne ist mit einem Kreuz versehen, das vier Viertel entstehen lässt, die dann nochmals durch kurze und sich nicht kreuzende diagonale Striche von den Ecken ausgehend akzentuiert werden. So wird Quadrat für Quadrat neben- und untereinander gemalt, bis die Fläche gefüllt ist. Als orientierendes Hilfsmittel dient Ding Yi in der Regel ein Karostoff, der statt der klassischen Leinwand über den Keilrahmen gespannt wird. Bei anderen Malgründen (wie die Rückseite von Wellpappe) zeichnet er ein den Stoffen entsprechendes Raster auf, das dann ebenso mit gemalten Quadraten (ca. 2,5 mal 2,5 Zentimeter groß) ausgefüllt wird. Seine oftmals sehr leuchtenden Farben sind für ihn Ausdruck des pulsierenden Lebens in Shanghai, das sich unter anderem nachts durch die Fülle von Leuchtreklame darstellt.

(RP)
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