Duisburg Sorge vor Verteilungskämpfen

Duisburg · Der Gemeinderat der Gemeinde St. Dionysius informierte im Mündelheimer Gemeindehaus über den derzeitigen Diskussionsstand beim Pfarreientwicklungsprozess. Es wird einschneidende Veränderungen geben.

 Während die St.-Dionysius-Kirche in Mündelheim (links) möglicherweise zur Disposition steht, soll die Rahmer St.-Hubertus-Kirche (rechts) nach jetzigem Stand auf jeden Fall als Gotteshaus weitergeführt werden.

Während die St.-Dionysius-Kirche in Mündelheim (links) möglicherweise zur Disposition steht, soll die Rahmer St.-Hubertus-Kirche (rechts) nach jetzigem Stand auf jeden Fall als Gotteshaus weitergeführt werden.

Foto: Christoph Reichwein

Zur öffentlichen Sitzung des Gemeinderates im Mündelheimer Gemeindehaus kamen mehr Besucher als erwartet. Jedenfalls musste schon bald eine mobile Zwischenwand entfernt werden, damit alle einen Platz finden konnten. Auf der Tagesordnung stand ein Thema, das bei den Katholiken im Duisburger Süden seit Wochen diskutiert wird: die offenbar unvermeidliche Schließung von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen in den kommenden Jahren. Entsetzt waren die Mündelheimer, weil nach einem "Szenario" auch ihrer denkmalgeschützten spätromanischen Kirche, eines der bedeutendsten Bauwerke in Duisburg, die Aufgabe durch das Bistum Essen droht.

Duisburg: Sorge vor Verteilungskämpfen
Foto: Christoph Reichwein

Der Gemeinderatsvorsitzende Klemens Kolb, der zugleich Mitglied im "übergeordneten" Pfarrgemeinderat St. Judas Thaddäus ist, hatte die Sitzung gut vorbereitet. Stichworte zum Pfarrentwicklungsprozess und Zahlenkolonnen hatte er - so übersichtlich wie möglich - auf Folien geschrieben und diese auf eine Leinwand projiziert. Wichtig war ihm darzustellen, dass bislang noch keine endgültigen Entscheidungen getroffen wurden. Zugleich machte er deutlich, dass das kirchliche Angebot im Duisburger Süden nicht mehr so bleiben kann, wie es jetzt ist. Das sagte auch zu Beginn Pastor Rolf Schragmann, der sich in der Diskussion zurückhielt, aber dazu aufrief, realistisch zu argumentieren. "Wir müssen manches, was uns bislang sicher erschien, aufgeben", sagte er. Kolb wies zu Beginn des langen Abends darauf hin, dass beim Pfarrentwicklungsprozess nicht nur über die Schließung von Kirchen und Gemeindeheimen diskutiert werde. In verschiedenen Arbeitskreisen würden auch Ideen und Strategien entwickelt, wie die kirchliche Arbeit in Zukunft ausgerichtet werden soll. So beschäftige sich beispielsweise ein Caritasteam mit bedarfsorientierten Angeboten für Bedürftige. Im Arbeitskreis Liturgie würden neue Formen der Zusammenarbeit von Laien und Seelsorgern diskutiert, wobei auch Schulungskonzepte für Ehrenamtliche entwickelt werden sollen. Ähnliche Überlegungen gibt es im "Arbeitskreis Kinder, Jugend, Familie", wo zukünftig stärker als bisher hauptamtliche "Kümmerer" und Ehrenamtliche an einem Strang ziehen sollen. Ein bemerkenswerter Vorschlag ist, dass in einer Jugendkirche auch junge Musik durch neue "Pop-Kantore" vermittelt wird. Außerdem könnte ein "rollendes Kirchencafé" nicht nur demnächst wegfallende kirchliche Räumlichkeiten ersetzen, sondern auch neue Impulse geben.

Nach diesen Erläuterungen, die augenscheinlich durchaus mit Interesse verfolgt wurden, ging es ans "Eingemachte". Und das waren jene strategischen Finanzszenarien, die von einem Ausschuss als Diskussionsvorschlag ins Gespräch gebracht wurden. Nachdrücklich wies Kolb darauf hin, dass diese Szenarien im Pfarrgemeinderat und im Kirchenvorstand noch gar nicht auf der offiziellen Tagesordnung standen. Es seien lediglich Vorschläge von "ehrenamtlichen Finanzministern". Gleichwohl könne man die Rahmenbedingungen nicht leugnen: Bis zum Jahr 2030 müssten rund 40 Prozent des gegenwärtigen Haushalts eingespart werden. Wenn man so weiterwirtschaften würde wie bislang, würden sich Jahr für Jahr in der Pfarrei St. Judas Thaddäus Schulden von jeweils 774.000 Euro anhäufen.

Drei Szenarien haben sich bislang bei den Finanzstrategen herauskristallisiert. Ein radikales Szenario, das in Mündelheim einhellig abgelehnt wurde, sieht die Aufgabe von sieben der bislang noch zehn bestehenden Kirchen und der meisten Gemeindeheime vor (die RP berichtete). Nach einem anderen Szenario bleiben mehr Kirchen erhalten; vor allem soll nach diesem Szenario sichergestellt werden, dass an jedem der bisherigen Gemeindestandorte ein kirchliches Gebäude erhalten bleibt. Das muss dann nicht unbedingt eine Kirche sein, es könnte auch das Gemeindeheim sein. In Serm wäre das beispielsweise der Fall. Hier würde nach diesem Plan die Kirche 2020 aufgegeben, das große Heim, in dem sich viele Vereine treffen, bliebe erhalten. Im Heim könnten auch Gottesdienste gefeiert werden. Über die Mündelheimer St. Dionysius-Kirche würde nach diesem Szenarium erst 2030 weiter entschieden.

Etwas kurios fanden alle Anwesenden, dass nach allen Szenarien die Rahmer St. Hubertus-Kirche und das Gemeindeheim erhalten bleiben.

In der Diskussion äußerten viele die Sorge, dass die Aufgabe von Kirchen und kirchlichen Gebäude dazu führen wird, dass sich noch mehr Menschen von der Kirche abwenden. Angeregt wurde die Stärkung von Fördervereinen. Besorgte Stimmen warnten vor einem Verteilungskampf, bei dem jeder nur um seine eigene Kirche kämpft. Angeregt wurde ein Katholikentag auf Pfarrebene, der dazu beitragen soll, egoistisches Kirchturmdenken zu verhindern.

(pk)
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