Duisburg Professor als Büttel auf der Bühne

Duisburg · Prof. Dr. Wilhelm Sandmann, in Duisburg praktizierender Gefäßchirurg, spielt bei den Bad Hersfelder Festspielen den Bedienten und einen Büttel in der berühmten Kleist-Komödie "Der zerbrochne Krug". Heute ist Premiere.

 Zweimal Wilhelm Sandmann: Links auf der Bühne (ganz links), rechts an seiner Arbeitsstelle im Fahrner Krankenhaus.

Zweimal Wilhelm Sandmann: Links auf der Bühne (ganz links), rechts an seiner Arbeitsstelle im Fahrner Krankenhaus.

Foto: Klaus Lefebvre (Bad Hersfeld)/ P. mendel (RP-Archiv)

Professor Dr. Wilhelm Sandmann (72) ist Gefäßchirurg und hat die Deutsche und Europäische Fachgesellschaft seiner beruflichen Spezialisierung mit gegründet. Er ist Ehrenmitglied verschiedener europäischer und amerikanischer Fachgesellschaften und praktiziert weiterhin in Duisburg. Darüber hinaus engagiert sich der renommierte Mediziner auch bürgerschaftlich: Er ist Mitbegründer der Duisburger Rathausgespräche, die auf Anhieb ein Erfolg waren. Eigentlich würde das schon mehr als reichen, aber Prof. Dr. Wilhelm Sandmann meint, dass er noch eins "draufsetzen" kann. Und so findet man ihn auf der offiziellen Besetzungsliste bei den bekannten Festspielen im hessischen Bad Hersfeld. Dort spielt er den Bedienten und einen Büttel in der berühmten Komödie von Heinrich von Kleist "Der zerbrochne Krug".

"Ja, lieber Herr Professor, wie kommen Sie denn dazu?", wird man da spontan fragen. Und Prof. Sandmann gibt selber zu, dass es wohl ein wenig "befremdend" anmutet, dass jemand, der jahrzehntelang am Operationstisch steht und Medizinstudenten ausbildet, mit einem Mal auf der Bühne steht - und dazu noch auf einer der größten Freiluftbühnen überhaupt und vor bis zu 1177 Zuschauern.

Dabei ist Sandmanns Auftritt keineswegs ein Gag wie etwa die Miniszenen, die sich Alfred Hitchcock in seinen eigenen Filmen leistete. Nein, Sandmann ist ein reguläres Ensemblemitglied, das zwei kleinere, aber durchaus wichtige Rollen verkörpert - und auch eine ganz normale Gage dafür bekommt. Die Gage ist für Sandmann zwar nicht entscheidend für seinen Ausflug in den Schauspielberuf, aber er legt Wert darauf, dass er auf der Bad Hersfelder Bühne keine irgendwie herausgehobene Position hat, sondern mit Kolleginnen und Kollegen zusammen in dem herrlichen Kleist-Stück spielt.

Natürlich gibt es eine Vorgeschichte zu Sandmanns Bad Hersfelder Schauspiel-Engagement. Und die beginnt bei Holk Freytag, einem der bedeutenden deutschen Regisseure, der einst das Moerser Schlosstheater begründete, später die Bühnen in Wuppertal und das Staatsschauspiel in Dresden leitete und darüber hinaus viele Jahre Vorsitzender der Intendantengruppe im Deutschen Bühnenverein war. Mit Holk Freytag, der seinen Lebensmittelpunkt in dieser Region hat, ist Prof. Sandmann seit Jahren befreundet. Vor einigen Jahren, so erzählt Prof. Sandmann, habe er bei einem Treffen Holk Freytag gesagt, dass er "vielleicht auch mal gern als Schauspieler auftreten würde". Holk Freytag habe seine Bemerkung zunächst ohne großen Kommentar zur Kenntnis genommen. Einige Monate später sei er aber darauf zurück gekommen und habe ihm, Sandmann, einen kleinen Auftritt in Schillers "Maria Stuart" angeboten, ein Stück, dass Holk Freytag im vergangenen Jahr für die Bad Hersfelder Festspiele inszenierte. Bei den Proben und später bei den Aufführungen konnte Sandmann offenbar überzeugen. Und so kommt es, dass er diesmal wieder bei den Bad Hersfelder Festspielen mitwirkt. Er steht dabei mit renommierten Schauspielern auf der Bühne: Stephan Schad spielt den Dorfrichter Adam, der gegen sich selbst prozessieren muss. Den Gerichtsrat Walter gibt Nina Petri, und die Rolle des Schreibers Licht übernimmt Nikolaus Kinsky. Die beiden Mägde spielen die Zwillingsschwestern Laura und Lisa Quarg. "Die machen das herrlich!", schwärmt Prof. Sandmann.

Auf die leichte Schulter nimmt der renommierte Mediziner seine neue Aufgabe nicht. Er möchte im Ensemble nicht als Amateur auffallen. Auch lasse Holk Freytag keine Nachlässigkeit durchgehen, sondern probe so lange, bis die Szene sitzt. "Ich musste auch mal zehnmal denselben Satz sagen, bis Holk zufrieden war", berichtet Sandmann. Er habe bei seinen Proben Regieanweisungen gehört, die zunächst lustig klingen, aber schließlich doch hilfreich seien, wie beispielsweise: "Du musst aus den Oberschenkeln heraus sprechen" oder "erst kommt das Gefühl, dann der Text".

Dass er einen Büttel zu verkörpern hat, nimmt Prof. Sandmann mit Humor. "So ein Büttel ist mit meiner Selbsteinschätzung nicht zu vereinbaren; aber ich spiele ihn ja nur", sagt er schmunzelnd. Seinen Ausflug ins Schauspielfach genieße er, weil sich ihm eine neue Welt erschließe. Auch die Atmosphäre hinter der Bühne und die Kommunikation mit Schauspielkollegen schätze er. Dafür nimmt er die vielen Autobahn-Kilometer in Kauf. Nach der Premiere am heutigen Samstag und der ersten Wiederholungsvorstellung am Sonntag fährt Prof. Sandmann noch am selben Abend nach Hause zurück, weil er am Montag schon wieder in Duisburg am OP-Tisch steht. Und nach der OP geht es gleich zurück nach Bad Hersfeld - zur Vorstellung um 21 Uhr.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort