Duisburg Orgelbauer wird Auto-Mechatroniker

Duisburg · Henrik Schallert war ein erfolgreicher Orgelbauer, der bei der berühmten Klais-Orgelbaufirma gelernt hat und international gefragt war. Doch er fing noch einmal an und entschied er sich für eine Ausbildung bei der Daimler AG.

 Henrik Schallert hat diese Drehorgel in seiner Freizeit gebaut.

Henrik Schallert hat diese Drehorgel in seiner Freizeit gebaut.

Foto: Probst

Henrik Schallert hatte einen Beruf gelernt, bei dem ihm die Welt offenstand: Orgelbauer. Nach seinem Realschulabschluss begann er eine Ausbildung bei einer der weltweit bedeutendsten Orgelbaufirmen: Klais in Bonn. Schon als Kind habe er sich, so erzählt Schallert, der am 3. November 24 Jahre alt wurde, für die Technik der Orgel interessiert. In seinem Heimatort in Mecklenburg-Vorpommern hatte ihm der Pastor erlaubt, die Kirchenorgel zu studieren. Zwar sei er kein Organist geworden, aber wie eine Orgel funktioniert, habe er schon als 14-Jähriger gewusst.

So war es für ihn ein großes Glück, dass er 2008 in Bonn die Lehre als Orgelbauer beginnen durfte. Zwar sagt man, dass Lehrjahre keine Herrenjahre sind, aber dieser Spruch gilt nicht im Bereich des Orgelbaus, jedenfalls nicht, wenn man bei Klais arbeitet. Bereits während seiner dreieinhalbjährigen Lehrzeit konnte Schallert Erfahrungen sammeln, von denen andere nur träumen. So reiste er zusammen mit erfahrenen Orgelbauern der Firma für jeweils mehrere Wochen nach Jamaika und Island, um dort neue Orgeln zu bauen oder wertvolle Instrumente zu reparieren oder zu restaurieren. Ein besonderes Erlebnis sei der sechswöchige Aufenthalt in Oman gewesen. Dort baute Klais für einen veritablen Sultan eine Privatorgel.

Natürlich war er während seiner Lehrzeit nicht nur im Ausland unterwegs, sondern auch in Deutschland. Zu den Instrumenten, die Henrik Schallert aus dieser Zeit besonders gut kennengelernt hat, gehören die Orgeln im Kölner Dom und im Hamburger Michel.

"Und nach der Lehre ging es nicht weiter?" fragt man fast automatisch, wenn man nun Henrik Schaller im blauen Overall der Firma Daimler in der Meidericher Mercedes-Niederlassung sieht.

Doch, es ging weiter. Sehr gut sogar. 2012 legte Henrik Schallert seine Gesellenprüfung mit Erfolg ab. Und bereits einen Tag nach der Prüfung stieg er ins Flugzeug, um als zertifizierter Orgelbauer bei einer kleinen Fachfirma in Sydney zu arbeiten. Diese Stelle zu bekommen sei nicht schwer gewesen, berichtet Schallert. Bei einem Kurs während seiner Ausbildung habe er auf dem Schwarzen Brett das Stellenangebot gelesen. Kurzerhand mailte er nach Australien seine Bewerbung - und wurde gleich engagiert. "Den Leuten in Sydney hat gereicht, dass ich bei Klais meine Ausbildung absolviere." Und schmunzelnd fügt er in Hinblick auf seinen aktuellen Ausbildungsplatz hinzu: "Klais ist der Mercedes unter den Orgelbauern."

Ein Jahr lang arbeitete Schallert in Sydney. Seine gründliche Ausbildung und seine "deutsche Sorgfalt" bei der Arbeit seien vom Chef der kleinen Firma geschätzt worden. Doch dann habe er, so gesteht er, Heimweh bekommen. "Und weil Sie nicht mehr als Orgelbauer arbeiten konnten, haben Sie sich einen anderen Beruf gesucht?", lautet die zweite naheliegende Frage. "Nein, so war es nicht", heißt Schallerts Antwort. Vielmehr habe er ohne Probleme wieder bei Klais arbeiten können. Und bei Klais habe er sogar, trotz seiner Jugend, Karriere machen können. So wurde er schon bald nach seiner Rückkehr aus Australien bei der Bonner Fachfirma mit 65 Beschäftigten stellvertretender Montageleiter.

"Und warum in aller Welt haben Sie diesen Traumberuf an den Nagel gehängt?", will man endlich wissen. - Der Grund ist ein schöner, ein romantischer: Henrik Schallert verliebte sich. Ziemlich schnell sei ihm und seiner damaligen Freundin (und heutigen Ehefrau) klar geworden, dass der Beruf des Orgelbauers, der wochenlange Abwesenheiten von zu Hause mit sich bringt, nicht das Richtige für ihn sei. Deshalb habe er bei Klais gekündigt; nur eine Montage in Singapur habe er noch in verantwortlicher Position mitgemacht.

Da er von Kindheit an technisch interessiert sei, habe er sich für eine Ausbildung als Mechatroniker interessiert. Allerdings habe er sich darum bemüht, eine Ausbildung bei Daimler zu bekommen. Beim Vorstellungsgespräch sei er zwar ziemlich nervös gewesen, dennoch hat er die Daimler-Kommission offenbar vollkommen überzeugen können: Bereits einen Tag nach dem Vorstellungsgespräch bekam er das Angebot für einen Ausbildungsplatz. Seit August 2014 ist er nun bei der Rhein-Ruhr-Niederlassung von Daimler Azubi. Dass er zurzeit nicht so viel verdient wie als Orgelbauer, nimmt er klaglos hin.

Bereut hat Henrik Schallert nichts: weder seine Ausbildung als Orgelbauer, noch seine vielen Auslandsaufenthalte, noch den Beginn seiner neuen Karriere als Auto-Mechatroniker, noch seine Heirat. Der Presse-Chef von Daimler, Tim In der Smitten, der den Kontakt zur RP vermittelte, ist überzeugt: "Henrik wird bei uns seinen Weg machen."

(pk)
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