Ob Marxloh oder Hochfeld: Ohne Polizei ein Wagnis

Duisburg · No-Go-Areas gibt es in Duisburg angeblich keine. Richtig wohl fühlt sich aber wohl niemand in Gegenden, in denen es ohne Polizei nicht möglich ist, sich umzusehen. So geschehen in Marxloh, wo sich unsere Autorin umgucken wollte und am Ende mehr Fragen mitbrachte, als Antworten.

 Der Besuch in Marxloh warf viele Fragen auf.

Der Besuch in Marxloh warf viele Fragen auf.

Foto: Reichwein

Angst hatte ich nicht, als ich nach Marxloh gefahren bin, um mir dort einmal die sogenannten Schrottimmobilien anzuschauen. Mitte der Woche hatte es im Rathaus dazu eine Pressekonferenz gegeben, in der Oberbürgermeister Sören Link deutlich machte, dass es notwendig ist, diese Häuser räumen zu lassen und konsequent durchzugreifen. Schrott- oder Problemimmobilien gibt es in Duisburg um die 90. Auch in Hochfeld ist die Lage teilweise schwierig. Da aber in Marxloh zuletzt ein Haus geräumt wurde, habe ich mich entschlossen, dort hinzufahren. Was soll schon passieren, dachte ich mir? Marxloh ist auch nur ein Stadtteil von Duisburg, einer fast 500.000-Einwohner starken Stadt mit einem geltenden Rechtssystem. Ich dachte mir, ich schaue ein paar Häuser an, spreche mit Menschen, das, was man eben so macht, wenn man recherchiert.

Angst trifft es auch nicht, was ich empfunden habe, als ich vor dem Haus in der Hagedornstraße stand - an jedem Fenster Frauen, die schrien und aggressiv wurden und sich sogar mit einem Glas in der Hand als Wurfgeschoss positionierten, weil wir ihrer Forderung, zu verschwinden, nicht nachkamen. Es war eher Fassungslosigkeit, die sich breit machte. Darüber, wie es hier aussah, mit all dem Müll auf dem Gehweg, den heruntergekommenen Fassaden und den kaputten Jalousien. Wie trostlos es wirkte, als das kleine Mädchen ganz allein in einem offenstehenden Hauseingang stand und kurze Zeit später ohne Grund gegen die Hauswand trat, weil sie sich vermutlich einfach zu Tode langweilte. Ich war fassungslos über die Aggression, die die Bewohner des Hauses uns entgegenbrachten, einfach, weil sie unsere bloße Anwesenheit als störend empfanden. Ich fragte mich, wo kommt das her? Ist es Langeweile, Misstrauen, das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden? Gerne hätte ich die Menschen gefragt, aber nicht nur die Sprachbarriere war ein großes Problem, es schien mir so, als wäre da noch ein viel größeres Hindernis. Als würde uns eine große, durchsichtige Mauer trennen, durch die man sein Gegenüber zwar sehen, nicht aber erreichen kann. Man kommt einfach nicht an die Menschen heran. Sie wollen es nicht, sie brauchen es nicht. Denn wo sie wohnen, sind sie nicht allein. Es gibt genug Landsleute, die keine Notwendigkeit entstehen lassen, sich mit dem zu befassen, was über das direkte Umfeld hinaus geht. Sie scheinen einfach ein anderes Verständnis vom Leben zu haben und von dem, was lebenswert bedeutet.

Eine Postzustellerin berichtete mir davon, dass sie diesen Menschen oft Briefe vorliest und erklärt, was darin steht - ihre Art, sich mit den Leuten zu arrangieren, die andernfalls sehr aufdringlich und auch schon mal handgreiflich werden könnten, wie sie sagte. Durch ihre Hilfe aber bekommt sie einen kleinen Einblick in ihr Leben. Sie bekommt mit, dass sie ihre Kinder oft nicht zur Schule schicken, es sei denn, es droht eine Geldstrafe. Dabei hätten die Kinder Spaß an der Schule, berichtet die Postbotin, das jedenfalls hätten ihr die Kinder selbst erzählt.

Warum die Eltern sich nicht dafür einsetzen, dass ihre Kinder zur Schule gehen, sich nicht darum kümmern, dass die Häuser und Wohnungen ordentlich und sauber sind, sich dagegen wehren, mit anderen Menschen als denen aus ihrem direkten Umfeld zu sprechen, bleibt mir ein Rätsel. Klar ist nur, dass es eine Abwärtsspirale für Marxloh und all die anderen Orte, an denen es ähnlich ist, bedeutet. Denn wohnen möchte in dieser Nachbarschaft niemand mehr. Bedeutet das also, dass diese Stadtteile verloren sind? Es braucht Lösungen, sagen die Menschen, aber wie sollen sie aussehen? Angebote zur Integration gibt es, nur müssen sie auch gewollt und genutzt werden. Das scheint leider viel zu oft nicht der Fall zu sein.

(RP)
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