Duisburg Miteinander singen, streiten, beten

Duisburg · Vor 20 Jahren gab es das erste Politische Nachtgebet. Das jüngste Nachtgebet war nun die stolze Nummer 238, ein "Jubiläumsgebet" mit einem Rückblick bis auf die Anfänge im Jahr 1996.

Immer am ersten Montag im Monat um 18 Uhr treffen sich in Duisburg Vertreter von Kirche und Arbeitswelt zum gemeinsamen Politischen Nachtgebet. Und das seit 20 Jahren. "Eine Pause gab es nur, als wir 2009 von der Markuskirche im Ostacker zur Marxloher Kreuzeskirche umgezogen sind. Sonst haben wir das durchgezogen, auch an Neujahr, auch am Ostermontag oder am Rosenmontag", sagt Hans Peter Lauer, Pfarrer in der evangelischen Bonhoeffergemeinde Marxloh Obermarxloh. Das Nachtgebet am vergangenen Montag war nun die stolze Nummer 238, das "Jubiläumsgebet", mit einem Rückblick bis auf die Anfänge im Jahr 1996.

Lauer hatte damals eine Stelle als Pastor im kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) inne, heute ist er noch mit 25 Prozent seiner Pfarrstelle beim KDA tätig. Er erinnert sich an die gemeinsame Suche nach einer geeigneten Form zur Verstetigung der Kontakte zwischen Kirche und Arbeitswelt. Alles viertel Jahr ein Treffen, das war der kirchliche Vorschlag, aber die gewerkschaftlichen Vertrauensleute, Betriebsräte und IG Metaller wollten mehr und sprachen sich für monatliche Treffen aus. Gesagt, getan. Der anfangs noch stark sakrale Charakter der ersten Nachtgebete wurde allmählich etwas zurückgefahren, die Orgelmusik gefiel zum Beispiel nicht allen und wurde durch das Akkordeon ersetzt. Es war allen Trägern des Politischen Nachtgebetes, wie den Betriebsräten und IG Metallern von Thyssen Krupp Steel und Arcelor Mittal, der katholischen Arbeitnehmerbewegung, der katholischen Gemeinde St. Norbert, der evangelischen Bonhoeffer Gemeinde und dem KDA wichtig, ein Forum für den Austausch zu bieten, das entfernt von Handlungsdruck funktioniert. Der Bedarf, die eigenen Grundlagen zu diskutieren und miteinander abzugleichen war groß. Armut, Klassenkampf, Gerechtigkeit, Mitbestimmung und Frieden waren die eher grundsätzlichen Themen der ersten Jahre. Es wurde agitiert und gestritten, gebetet und gelegentlich auch gesponnen. "Wir hatten mal einen Verschwörungstheoretiker mit UFO-Fimmel zu Gast, der war so streitbar, dass wir schon Befürchtungen hatten, der Abend könnte aus dem Ruder laufen", sagt Lauer mit einem Schmunzeln.

Die Unternehmerin Gabriela Grillo diskutierte mit den Gästen über Streik, der Präses Nikolaus Schneider über Kapitalismus, der OB Adolf Sauerland über Lebensqualität und die Polizeipräsidentin Elke Bartels über Sicherheit. Sparpakete waren Thema, Lohndumping und Firmenpleiten. Die Themen sind aktueller geworden im Laufe der Jahre und haben inzwischen öfter lokale Bezüge als früher. Im vergangenen Mai waren die Mieter der Zinkhüttensiedlung zu Gast, um nach dem jahrelangen Kampf um ihre Wohnungen Bilanz zu ziehen und einen Blick in die Zukunft der Siedlung zu tun. Die langfristige Zukunft des politischen Nachtgebetes kam in den 20 Jahren seines Bestehens nicht so oft in den Blick des Organisatoren-Kreises, von denen einige von Anfang an dabei waren. "Wir haben im Grunde immer nur das Programm der nächsten drei Monate im Kopf, nicht die nächsten 20 Jahre", sagt Pfarrer Lauer.

(RP)
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