Duisburg Mit allen Sinnen in der schwarzen Kiste

Duisburg · "Blackbox - ein Spiel mit Wahrnehmung und Deutung" heißt die Ausstellung der Kunstvermittlung im Lehmbruck-Museum, die am Donnerstagabend mit dem Schokoladenbad eines nackten Tänzers eröffnet wird.

 Die Schokolade wurde gestern schon mal langsam erwärmt. Bis Donnerstag dürfte sie wohl flüssig sein. Dann kommt sie in der Performance zum Einsatz.

Die Schokolade wurde gestern schon mal langsam erwärmt. Bis Donnerstag dürfte sie wohl flüssig sein. Dann kommt sie in der Performance zum Einsatz.

Foto: Andreas PRobst

Das Reiz-Reaktionsschema der menschlichen Psyche besagt, dass ein Reiz eine Reaktion auslöst. Der Reiz mag klar sein, die Reaktion kann aber für Überraschungen gut sein. Denn der Mensch ist eine Art Blackbox, ein schwarzer Kasten, dessen Inneres verschlüsselt bleibt. Dieser kleine Vorspann deutet den Hintergrund des Titels der Ausstellung im Lehmbruck-Museum an: "Blackbox - ein Spiel mit Wahrnehmung und Deutung", die am Donnerstagabend, 19 Uhr, eröffnet wird und bis zum 3. April des kommenden Jahres nicht nur besichtigt, sondern zum Teil auch erlebt werden kann.

Die Kunstvermittlung des Lehmbruck-Museums ist für die Ausstellung verantwortlich, bei der es ums Sehen, Riechen, Hören, Schmecken und Tasten, also um unsere kompletten Sinneswahrnehmungen geht. Hinzufügen möchte man noch ein Wort, das nicht in diese Reihe passt, sie aber mitunter umfassen kann: ums Staunen.

Dazu passt beispielsweise, dass die Zauberei Bestandteil der Ausstellung ist. So haben die beiden überaus engagierten Kuratorinnen, Claudia Thümler und Sybille Kastner, den hierzulande kaum bekannte Maler Jorge Iglesias in die Schau einbezogen, von dem ein geheimnisvolles Werk zu sehen ist. Der brasilianische Künstler arbeitet mit optischen Phänomenen, die man auch als Täuschungen bezeichnen kann. Zwei- und Dreidimensionalität sind kaum noch zu unterscheiden. Jorge Iglesias hat mehrmals mit dem berühmten "Magier" David Copperfield zusammengearbeitet.

Etwas Mut braucht man vielleicht beim Einstieg in die Kapsel, die der Künstler Jörg Wagner zur Ausstellung beiträgt. Man liegt ganz bequem in dieser kleinen, dunkel ausgekleideten Raumfahrerlandekapsel. Schließt man die vertikal angebrachte Türe, dann brennt ein Lichtlein, das allmählich dunkler wird und schließlich ganz verlöscht. Über eine entsprechende Anlage hört man bei vollkommener Dunkelheit seinen eigenen Atem; für Belüftung ist gesorgt. Der Schreiber dieser Zeilen empfand den Aufenthalt in dieser Kapsel als eine Art Rast; andere, so berichtet es der Künstler, fürchteten klaustrophobische Enge. Jörg Wagners Werk ist ein schönes Beispiel dafür, was hinter dem Konzept der Ausstellung steht. Claudia Thümler und Sybille Kastner formulieren das so: "Was ein Kunstwerk auslöst und was wir interpretieren, hängt von den subjektiven Gefühlen, Erfahrungen, den individuellen Wahrnehmungsmustern und den Strategien, diese zu deuten, ab."

Die Blackbox-Schau hat nicht zuletzt viel Witz. Im "Rendezvous der Bildhauer" hat der Künstler Heinz Breloh aus Gips und Ton knorrige Gebilde gefertigt und diese mit Namen wie Philemon und Baucis, Gertrude Stein oder Richard Wagner versehen. Das Künstlerduo Venske & Spänle schuf insektenartige Skulpturen, die man sich beispielsweise über die Schulter legen kann. Die Skulpturen sehen weich und fließend aus, sind aber hart und erstaunlich schwer. Zum Ausgang der Wespenzeit mag man an ein schönes Insekt denken, das bös stechen kann... Der Ausstellungsteil im Untergeschoss des Museums ist von den übrigen Räumen durch eine Art flexible Wand mit vielen spielgelnden Kleinteilen abgetrennt, die man als Sprechblasen interpretieren kann. Geschaffen hat diese Wand Dejan Saric, der in der Ausstellung auch mit farbreichen Gemälden vertreten ist, die wie abstrakte improvisierte Tänze wirken, aber dennoch voller Kalkül stecken. Mit dem "Schokoladenbad" von Sonja Alhäuser wird am Donnerstag, 3. September, 19 Uhr, die Ausstellung eröffnet. Ein Tänzer der Rheinoper als Performer steigt dabei in ein Bad voll flüssiger Schokolade und taucht darin unter. Anschließend verlässt er als Schokoladenmann den Ausstellungsraum und hinterlässt dabei seine Schokospuren. Da gibt es was zu sehen und zu denken. Vielleicht auch zu schmecken?

Die Badewanne voller Schokolade bleibt übrigens bis zum Ende der Ausstellung im Lehmbruck-Museum. Das wird riechen!

(pk)
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