Duisburg Mercators Welt wird neu erschlossen

Duisburg · Vor einem Jahr feierte das Kultur- und Stadthistorische Museum "Richtfest" für ihre Mercator-Schatzkammer. Nun ist der Ausstellungsraum wirklich fertig. Das Werk des großen Gelehrten wird den Besuchern vorbildlich nahegebracht.

 Werner Pöhling, Mitarbeiter des Kultur- und Stadthistorischen Museums und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, erläutert den digitalisierten Atlas.

Werner Pöhling, Mitarbeiter des Kultur- und Stadthistorischen Museums und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, erläutert den digitalisierten Atlas.

Foto: Andreas Probst

Im Kultur- und Stadthistorischen Museum wird die wohl größte und bedeutendste Sammlung von Werken Gerhard Mercators bewahrt. Das weiß man schon lange. Doch nun kann man das auch erleben: Die neugestaltete "Mercator-Schatzkammer" macht es möglich.

Vor einem Jahr, genau genommen am 5. März 2012, dem 500. Geburtstag des großen Kartographen und Universalgelehrten, der die letzten 42 Jahre seines Lebens in Duisburg verbrachte, wurde das "Richtfest" der neuen Mercator-Schatzkammer gefeiert. Das war schon nicht schlecht. Blickfang war — und ist auch weiterhin — der Blaue Planet, also das weltberühmte Bild der Erde, das vom Apollo-Raumschiff aus bei der ersten Mondfahrt fotografiert wurde. Vor dieser Aufnahme, die als Dauerprojektion die Schatzkammer gedimmt beleuchtet, stand und steht noch immer ein großer "digitaler Kartentisch", der Mercators wichtigstes Lebenswerk zeigt, nämlich die Weltkarte von 1569 "ad usum navigantium", zum Gebrauch für die Seefahrt.

Schon vor einem Jahr konnte man mit diesem Kartenwerk spielen, beispielsweise Ausschnitte wählen oder Details vergrößern. Auch die berühmte Mercator-Projektion konnte mit Hilfe der digitalen Möglichkeiten anschaulich dargestellt werden. Jetzt ist der digitale Kartentisch nochmals überarbeitet worden. Die Funktionsweise ist vereinfacht worden, die Darstellung ist präziser, die Erklärungen sind verständlicher geworden und der Wechsel von einem "Modus" zum anderen geschieht reibungsloser. Wenn man will, kann man mit wenigen Fingerzeigen seine aktuellen Urlaubsziele aufs große Display bringen und begutachten, wie genau einst Mercator die Lage beliebter italienischer Ferieninseln anzugeben wusste.

Wer informationstechnisch talentiert ist, kommt rasch selber mit dem digitalen Kartentisch klar; andere brauchen vielleicht eine kleine Einführung. Dann jedoch kann man sich, wenn man die Zeit hat, stundenlang mit der Karte von 1569 und ihren Folgen für die Navigation bis in die Gegenwart beschäftigen. Ein Flug mit einer einmotorigen Cessna, die mit einem modernen Navigationssystem ausgerüstet ist, gehört übrigens auch zum digitalen Mercator-Tisch.

Mercator (1512 bis 1594) war ein Kind des 16. Jahrhunderts und damit der späten Renaissance, eine ungemein interessante Zeit in der Kulturgeschichte der Menschheit. In dieser Epoche strebten Gelehrte und Künstler danach, eine moderne, wissenschaftliche Sicht auf die Welt zu entwickeln. Eine große Bilderwand, in der ausgewählte Werke von Mercators Zeitgenossen abgebildet sind, gibt Anhaltspunkte, wie Duisburgs bedeutendster Bürger in einem größeren Zusammenhang einzuordnen ist. Auch bei dieser Bilderwand wird Technik klug eingesetzt: Zu jedem einzelnen der 18 Bilder lassen sich per Knopfdruck Zusatzinformationen abrufen. Das Themenspektrum reicht dabei von Studien zur menschlichen Anatomie bis zur astronomischen Uhr.

Natürlich sind in der nunmehr "ganz neuen Schatzkammer" weiterhin die prächtigen Werke Mercators im Original zu sehen: Kupferstich-Karten, der Erdglobus von 1541, der Himmelglobus von 1551 sowie der berühmte Atlas in vielen Ausgaben und Varianten. Das Problem ist dabei nur, dass diese kostbaren und sehr empfindlichen Werke in einer Glasvitrine stehen (müssen), man deshalb auch nur die eine, gerade aufgeschlagene Seite sehen kann. Bei einem Atlas, der zum Blättern gedacht ist, bekommen der Fachmann und interessierte Laien das Eigentliche nicht zu sehen.

Das Problem haben die Ausstellungsmacher erkannt — und gelöst: Der berühmte Hondius-Atlas, der postum nach Mercators Vorarbeiten erschien, wurde Seite für Seite mit allen Vorsichtsmaßnahmen digital fotografiert und kann nun per Berührungsbildschirm mit gutem Gewissen durchgeblättert werden.

Die Optimierung der Mercator-Schatzkammer hat die Stadtsparkasse Duisburg mit 150 000 Euro unterstützt. Zusammen mit den 100 000 Euro von der Nordrhein-Westfalen-Stiftung, die in Zusammenhang mit dem Mercator-Jahr 2012 von der gemeinnützigen Duisburger Mercator-Gesellschaft vermittelt wurden (die RP berichtete), kann das Werk Gerhard Mercators nun so präsentiert werden, wie man sich das wünscht: packend für Fachleute und interessierte Laien zugleich. Möglicherweise ist der neue Raum auch Anlass dafür, die Diskussion um die Umbenennung des Kultur- und Stadthistorischen Museums in Mercator-Museum neu zu beginnen. Vielleicht kann man den alten, allzu langen und wohl auch zu allgemeinen Namen als Untertitel weiter verwenden...

(RP)
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