Duisburg Manufaktur ist seit 80 Jahren eine Institution

Duisburg · In der Manufaktur R. Kaniss arbeiten ausschließlich Blinde und Sehbehinderte und produzieren Besen, Bürsten und Körbe. Der Betrieb legt Wert auf Qualität und die Zufriedenheit der Angestellten.

 Beate Rausch-Kaniss ist seit 25 Jahren für den Vertrieb der Produkte aus der Manufaktur zuständig.

Beate Rausch-Kaniss ist seit 25 Jahren für den Vertrieb der Produkte aus der Manufaktur zuständig.

Foto: Christoph Reichwein

Es riecht nach Holz, Lack und anderen Materialien. Auf dem Boden liegen dunkle Haare verstreut. In einem riesigen Raum, der über 900 Quadratmeter misst, sind tausende Holzstücke, Besen, Bürsten und andere Alltagshelfer fast bis unter die Decke gestapelt. Ältere Maschinen aus robustem Stahl, denen man ansieht, wie oft sie benutzt werden, stehen links und rechts an den Wänden. In einem Abteil sitzen fünf Menschen, vertieft in ihre Arbeit. Sie stellen Besen, Körbe und Bürsten in allen Formen und Farben her - alles in Handarbeit.

Die Manufaktur R. Kaniss scheint ein ganz normaler Handwerksbetrieb zu sein. Doch dem ist nicht so: Jeder der insgesamt 28 Mitarbeiter ist entweder blind oder stark sehbehindert. Zur Blindenmanufaktur gehört nicht nur die Produktion von Besen, Bürsten und Körben, wie es schon vor hunderten von Jahren üblich war. Darüber hinaus verpacken Mitarbeiter auch Bürobedarf, zum Beispiel Briefumschläge, die dann an Unternehmen geliefert werden. Zudem arbeitet die Manufaktur mit einer Weberei zusammen, in der ebenfalls Blinde und Sehbehinderte werkeln. Die Webprodukte werden ebenfalls von der Manufaktur vertrieben.

"Wir wollen mit guten und schönen Produkten zeigen, dass auch Behinderte in der Arbeitswelt etwas leisten können", erklärt Beate Rausch-Kaniss, deren Vater die Manufaktur vor 80 Jahren gegründet hat. "Wir geben unseren Mitarbeitern eine Aufgabe, damit sie sich gebraucht fühlen", ergänzt die 45-Jährige, die seit 25 Jahren in der Manufaktur tätig ist und den Vertrieb organisiert. Ihre Angestellten, die allesamt eine Ausbildung im Bürobereich oder als Besen- und Bürstenbinder haben und nach Tarif bezahlt werden, würden die Arbeit als Lebensmittelpunkt begreifen.

"Jeder Arbeitsschritt ist bei uns Handarbeit", berichtet die Vertriebsangestellte. Dennoch gebe es einige Maschinen, die die Blinden bei der Arbeit unterstützten. Dazu gehört beispielsweise eine Schneidemaschine, die die Borsten von Besen auf eine gleiche Länge bringt. Die sehbehinderten Mitarbeiter schrauben, flechten, lackieren und binden ohne große Probleme, da sie alles gut ertasten können. Alle Materialien, die in der Produktion verwendet werden, entstammen der Natur. Für einen Besenstiel wird häufig widerstandfähiges sowie wetter- und wasserbeständiges Holz benutzt. Die Borsten der Alltagsutensilien bestehen aus echtem Tierhaar, unter anderem von Ziegen, Kühen und Pferden.

 Blick in die Werkstatt der Blindenmanufaktur.

Blick in die Werkstatt der Blindenmanufaktur.

Foto: Jan Luhrenberg

Die Blindenmanufaktur R. Kaniss verkauft ihre Produkte vor allem an Firmen. Dazu sind extra Handelsvertreter eingestellt. Der Renner ist der klassische Besen, manche Firmen fragen auch nach Sonderanfertigungen, um etwa Maschinen zu reinigen. Zu den Kunden gehört zum Beispiel die Stadt Duisburg, die die Besen in der Stadtreinigung einsetzt. Die Einrichtung hat insgesamt knapp 5000 Kunden in ganz Deutschland. "Es könnten noch mehr sein, da oft nur Ware mit kleinem Wert bestellt wird", sagt Rausch-Kaniss.

Seit 80 Jahren bietet der Betrieb die gleichen Produkte an. Das liege an den Auflagen, die eingehalten werden müssten, da die Manufaktur staatlich anerkannt sei. "Die Produkte werden uns vorgegeben", berichtet die Vertriebsangestellte. "Das finde ich sehr schade, weil ich und die Mitarbeiter gerne etwas Neues machen würden, was auch in das Konzept passt."

Die Blindenmanufaktur unterscheidet sich nur unwesentlich von einem anderen Handwerksbetrieb. Einzig die Sicherheitsvorkehrungen sind strenger. So muss es beispielsweise einen Tastweg für die blinden Mitarbeiter geben. "Vom Arbeitsalltag sind wir ein ganz normaler Betrieb", sagt Rausch-Kaniss. "Einzig die Kommunikation mit den Mitarbeitern ist anders, weil auf ihre Sehkraft Rücksicht genommen werden muss."

In der Produktivität könne der Handwerks-Betrieb mit der Industrie nicht mithalten: "Wir brauchen für einen Besen 20 Minuten. In der Zeit stellt eine Maschine mindestens zehn Stück her", berichtet die 45-Jährige. Dafür sei die Qualität Manufaktur-Waren besser.

(jlu)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort