Duisburg Loveparade-Prozess rückt in weite Ferne

Duisburg · Die Katastrophe auf der Loveparade in Duisburg wird wohl frühestens 2016 vor einem Gericht strafrechtlich aufgearbeitet werden - wenn überhaupt. Das Gutachten, auf dem die Anklage basiert, ist bislang zu lückenhaft.

Staatsanwaltschaft über Anklage in Loveparade-Unglück
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Staatsanwaltschaft über Anklage in Loveparade-Unglück

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Wenn sich die Katastrophe auf der Duisburger Loveparade im kommenden Juli zum fünften Mal jährt, werden die zehn Angeschuldigten sehr wahrscheinlich immer noch nicht vor Gericht stehen. Es ist seit gestern sogar unklarer denn je, ob es überhaupt noch zu einem Prozess kommen wird, bei dem das Unglück vom 24. Juli 2010 strafrechtlich aufgearbeitet wird, bei dem 21 Menschen in Folge einer Massenpanik ums Leben kamen und mehr als 60 verletzt wurden.

Grund für die Annahme ist das Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still, auf das sich in zentralen Punkten die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft stützt.

Die Expertise ist offenbar sehr lückenhaft und beantwort wesentliche Fragen zum Unglück nicht. Darum hat die zuständige Fünfte Große Strafkammer des Landgerichts Duisburg nun beschlossen, dem britischen Sachverständigen im Zwischenverfahren Fragen zur Erläuterung seines Gutachtens zu stellen. "Er wird gebeten, etwa 75 Einzelfragen zu 15 Themenkomplexen zu beantworten", sagte Landgerichtssprecher Bernhard Kuchler.

Loveparade-Gedenkstätte fertiggestellt
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Loveparade-Gedenkstätte fertiggestellt

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Foto: dpa, Federico Gambarini

Der Panikforscher soll dem Gericht unter anderem darlegen, wie sich Planungsfehler im Vorfeld auf den konkreten Veranstaltungsablauf auswirkten. Still soll zudem genau erklären, ob die Polizeikette, die den Zulauf aufs Gelände stoppen sollte, Auswirkungen auf den Unglückshergang hatte. Darüber hinaus soll er offenlegen, wie er bei der Erstellung des Gutachtens vorgegangen ist. Für die Beantwortung hat ihm das Gericht eine Frist von drei Monaten gesetzt.

Eine Entscheidung über die Zulassung der Anklage kann nicht vor Eingang der Antworten des Sachverständigen erfolgen. Doch selbst wenn Still fristgerecht antworten sollte, so schätzen Experten, werde sich die Strafkammer schwer tun, die Anklage zuzulassen, da sie befürchten müsse, dass die Erklärungen des Panikforschers nicht ausreichten, um in einer Hauptverhandlung den Angriffen der gegnerischen Seite standzuhalten. Die Staatsanwaltschaft hatte Still damit beauftragt zu untersuchen, wie es bei der Loveparade in Duisburg zur Massenpanik kommen konnte.

Loveparade-Unglück 2010 - Bilder der Zugangsrampe
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Die Zugangsrampe - der Unglücksort

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"Grundlegender Fehler der Staatsanwaltschaft"

Ein am Verfahren beteiligter Jurist sagte unserer Redaktion, dass das Still-Gutachten zu viele offene Flanken biete, die die Gegenseite ausnutzen würde - und es auch schon täte, indem sie immer neue Einwände gegen die Expertise einbrächte. "Es ist ein grundlegender Fehler der Staatsanwaltschaft, fast die gesamte Anklage auf ein Gutachten aufzubauen", sagte der Jurist. Dem Landgericht könne man deshalb aber keine Vorwürfe machen.

Das sieht die Bochumer Rechtsanwältin Bärbel Schönhof, die rund 30 Loveparade-Opfer in einem Zivilverfahren vertritt, genauso. "Es ist Aufgabe des Gerichts, den Sachverhalt gründlich zu prüfen", sagte sie. Schönhof ist sich sicher, dass durch die neuerliche Verzögerung ein möglicher Prozess frühestens 2016 stattfinden würde. "Ich vermute, dass die zuständige Strafkammer Ende des Jahres entscheiden wird, ob sie die Anklage zulässt oder nicht. Alles andere wäre zu kurzfristig", betonte die Anwältin.

Bewegende Gedenkfeier für die Loveparade-Opfer
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Bewegende Gedenkfeier für die Loveparade-Opfer

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NRW-Justizminister Thomas Kutschaty warb um Verständnis für die lange Dauer. "Es ist ein langes Verfahren, und ich weiß, die Opfer warten auf eine Entscheidung", sagte er im Rechtsausschuss des Düsseldorfer Landtags. "Ich bitte um Verständnis, dass von der Kammer sehr gründlich geprüft wird."

Nach der Anklageerhebung im Februar 2014 war es mehrfach zu Verzögerungen gekommen. Unter anderem waren Akten nicht vollständig, es gab Fragen zur Übersetzung und zur Beteiligung weiterer Personen am Gutachten. Zwischenzeitlich hatte die Staatsanwaltschaft im Winter fehlende Akten und Datensammlungen nachgereicht.

(RP)
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