Duisburg Klagen ist die letzte Chance auf Asyl

Duisburg · Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht entscheidet über die Klagen gegen abgelehnte Asylanträge. Vor allem Asylbewerber vom Westbalkan haben kaum eine Chance zu bleiben - auch wenn sie klagen.

 Oben: Abgelehnte Asylbewerber besteigen ein Flugzeug.

Oben: Abgelehnte Asylbewerber besteigen ein Flugzeug.

Foto: Christoph Reichwein

Es ist 10.05 Uhr. Richterin Franziska Hötte (31) wirft noch einen letzten Blick in den Flur vor ihrem Gerichtssaal im Verwaltungsgericht Düsseldorf. Zurück an ihrem Platz greift sie zum Aufnahmegerät und diktiert: "10.05 Uhr, Fortsetzung der Verhandlung, von den Klägern ist weiterhin niemand anwesend. Beschluss: Die Entscheidung wird zugestellt." Damit ist der Fall erledigt.

Eine albanische Familie hatte gegen die Ablehnung ihres Asylantrags geklagt. Es ist eine von fünf Fällen, die Hötte an diesem Tag verhandelt hätte. Ein in Duisburg ansässiger Kläger hatte seine Klage bereits zurückgezogen. Wenn Asylbewerber aus Duisburg gegen ihre abgelehnten Asylanträge vorgehen, landen sie vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht. Das Gericht ist für einen großen Sprengel zuständig, zu dem auch der Niederrhein und Teile des Ruhrgebiets gehören. Seit Anfang des Jahres sind dort 5400 Klagen gegen die Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) eingegangen.

Hötte ruft den nächsten Fall auf. Vor ihr auf dem Tisch liegen rosafarbene Aktenmappen. Rosa bedeutet Eilverfahren. Die meisten Kläger beantragen gleichzeitig einen sogenannten Eilrechtsschutz, damit sie für die Dauer des Klageprozesses in Deutschland bleiben dürfen. Doch Menschen vom Westbalkan haben kaum eine Chance, dass ihr Antrag positiv beschieden wird.

Auch Xhoana S. (16) ist ausreisepflichtig. Sie ist heute mit ihren Eltern und ihrem Anwalt zur Verhandlung erschienen. Bei jeder Klage gibt es eine persönliche Anhörung, das garantiert der Rechtsstaat. Xhoana ist mit ihren Eltern und ihrem Bruder dieses Jahr im August aus Albanien mit dem Bus über Griechenland eingereist. Sie hat einen Asylantrag beim Bamf gestellt, der am 15. September abgelehnt wurde. Auch die Anträge ihrer Eltern und ihres Bruders wurden abgelehnt, die Familie hat in allen Fällen geklagt. Hötte befragt Xhoana zu den Gründen ihrer Flucht.

Hauptgrund sei ihre Religionszugehörigkeit, übersetzt der Dolmetscher aus dem Albanischen. In ihrer Familie habe es oft Auseinandersetzungen zwischen ihrer Mutter und ihrer Großmutter gegeben. Die Mutter des Mädchens ist Christin, ebenso wie ihre Tochter und ihr Sohn - die Großmutter und der Vater hingegen sind Muslime. Streit habe es schon gegeben, seit sie sich erinnern könne, erzählt die 17-Jährige. "Ich war ein Kind, das jede Nacht weinend ins Bett gegangen ist." Als Xhoana das erzählt, fängt die Mutter im Hintergrund an zu weinen. Still weint sie und sucht sich ein Taschentuch aus ihrer Handtasche.

Xhoana erzählt, wie ihre Großmutter einmal versucht hätte, ihre Bibel zu zerreißen, und wie sie von einer Freundin gewarnt wurde, dass ein paar Jungs aus dem Dorf sie vergewaltigen könnten, weil sie Christin sei. "Ich war nicht frei, das zu glauben, was ich wollte", erklärt das Mädchen. Da hakt die Richterin nach und möchte wissen, ob Xhoana zur Polizei gegangen ist. "Nein, dann wäre ich beschmutzt gewesen", antwortet diese.

Doch Richterin Hötte kann trotzdem keinen Grund für Asyl erkennen. Sie erklärt, dass es durchaus zumutbar ist, innerhalb von Albanien umzuziehen oder in eine größere Stadt zu ziehen, um der Diskriminierung zu entgehen. Die Polizei in Albanien sei grundsätzlich schutzfähig und schutzwillig. Nach der Anhörung spricht Hötte aber nicht direkt das Urteil. Sie lässt sich die Gründe, die das Mädchen vorgebracht hat, noch einmal in Ruhe durch den Kopf gehen und schreibt am Nachmittag das Urteil, in dem sie auf das Gesagte eingehen will. "Ich höre mir die Sachen sehr genau an. Jeder Kläger hat die Chance, mir sein persönliches Schicksal zu erzählen. Doch dann kommt die rechtliche Seite dazu", sagt Hötte. Auch wenn es nicht gut aussieht für Xhoana, sie muss sich keine Sorgen machen, von ihrer Familie getrennt zu werden. Sie darf bleiben, bis die Klagen ihrer Eltern und ihres Bruders entschieden sind.

Bis elf Uhr hat die Anhörung gedauert. Xhoana und ihre Eltern waren die einzigen, die an diesem Tag im Gerichtssaal erschienen. "Es gibt Tage, an denen keiner kommt", sagt Hötte. "Doch die Sinnhaftigkeit der Verfahren stelle ich erst in Frage, wenn unsere Entscheidungen nicht umgesetzt werden."

(RP)
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