Duisburg Kirche ringt mit der Wirklichkeit

Duisburg · Vor rund 400 Seelsorgerinnen und Seelsorgern warb Bischof Franz-Josef Overbeck beim Tag der Pastoralen Dienste dafür, gemeinsam an einer "menschlichen Kirche" zu arbeiten.

 Bischof Franz-Josef Overbeck forderte die Seelsorgerinnen und Seelsorger seines Bistums dazu auf, gemeinsam an einer "menschlichen Kirche" zu arbeiten.

Bischof Franz-Josef Overbeck forderte die Seelsorgerinnen und Seelsorger seines Bistums dazu auf, gemeinsam an einer "menschlichen Kirche" zu arbeiten.

Foto: Achim Pohl/Bistum Essen

60 Jahre nach der Gründung des Bistums Essen sieht Bischof Franz-Josef Overbeck das Ruhrbistum als eine "Kirche in Bewegung". Zugleich fordert der Bischof die Seelsorgerinnen und Seelsorger seines Bistums dazu auf, gemeinsam an einer "menschlichen Kirche" zu arbeiten. "Seien wir eine menschliche Kirche auf dem Boden des Evangeliums", sagte Overbeck vor rund 400 Priestern, Diakonen, Gemeinde- und Pastoralreferenten aus dem gesamten Ruhrbistum beim "Tag der Pastoralen Dienste".

Nicht nur die Kirche, sondern die ganze Gesellschaft sei derzeit in Bewegung, sagte Overbeck und verwies beispielhaft auf die Veränderungen in der politischen Landschaft. "Wir kommen weg von einer sehr konstanten Gesellschaftsformation hin zu einer sehr fluiden Wirklichkeit." Eine Wirklichkeit, für die der Bischof seine Kirche und ihr Personal noch nicht richtig vorbereitet sieht: Die Rollen vieler Seelsorgerinnen und Seelsorger "und das Rüstzeug, das wir haben, sind noch sehr geprägt von der Zeit, aus der wir kommen", so Overbeck.

Wie unterschiedlich schon heute die Rollen und Aufgaben von Diakonen, Gemeindereferentinnen, Pastören, Pfarrern oder Pastoralreferenten in den Kirchengemeinden des Bistums, aber auch in Krankenhäusern, Gefängnissen oder der Notfallseelsorge sind, wurde während des Tags in verschiedenen Gesprächsrunden deutlich: Unter anderem kamen zwei Priester zu Wort, die vor allem die Messe lesen, die Beichte hören, Paare trauen oder Kinder taufen - während die jeweilige Gemeinde von einem Diakon oder eine Gemeindereferentin geleitet wird. Leitung in der Kirche sei heute vor allem eine Frage von Ermöglichung, betonte der Essener Pastor Oliver Scherges, und zwar mit Blick auf Haupt- wie Ehrenamtliche: "Ich wünsche mir, dass wir mehr und mehr schauen, welche Fähigkeiten und Talente die einzelnen Menschen mitbringen und dann überlegen, was sie davon in unseren Gemeinden einbringen können."

Das sah die Bochum-Wattenscheider Gemeindereferentin Anke Wolf ähnlich: Der Begriff "Leitung" habe in den vergangenen Jahren eine neue Bedeutung bekommen, "es geht nicht darum über allem zu stehen und zu sagen, wo es lang geht, sondern darum zu schauen, wer kann was - und wer kann wo mitarbeiten". Overbeck betonte, dass er die Zukunft der Kirche weniger in formalen Einheiten als in einer großen Vielfalt sehe - denn "indem wir vielfältig sind, werden wir lebendig Kirche sein", sagte Overbeck. Es werde "sehr unterschiedliche Formen von Ordensleben, Gemeinde- und Pfarreistrukturen geben. Als ihr Bischof versuche ich, uns alle zusammen zu halten, und Sie in dieser Vielfalt zu unterstützen".

Auch der Gelsenkirchener Pfarrer und Propst Markus Pottbäcker warb dafür, über die bisherigen kirchlichen Strukturen hinaus zu blicken: "Wir arbeiten heute mit Begriffen, die nicht mehr passen. Wer ist denn heute Gemeinde?" fragte Pottbäcker. Eigentlich sei damit die Gemeinschaft aller Getauften gemeint. "Im Blick sind aber doch meistens nur die, die sich vor Ort engagieren." Der Bochumer Kirchenhistoriker Wilhelm Damberg pflichtete ihm bei: Noch gebe es vielerorts "die Vorstellung von der Gemeinde, die alle Leute mitnimmt - aber das wird künftig nicht mehr gehen".

Für das Bistum Essen war der "Tag der Pastoralen Dienste" ein Zwischenschritt in dem im Herbst gestarteten und für ein Jahr angelegten Gesprächsprozess für alle pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Neben den derzeit überall im Bistum laufenden Pfarreientwicklungsprozessen und den 20 Zukunftsbild-Projekten ist der Dialog der Seelsorger der dritte Prozess, mit dem das Bistum daran arbeitet, wie die Christen im Ruhrgebiet und im märkischen Sauerland angesichts der vielen Veränderungen in Gesellschaft und Kirche auch in Zukunft lebendig Kirche sein können.

(RP)
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