Duisburg In Duisburg fehlen Psychotherapeuten

Duisburg · Insgesamt 918 "Fälle" wurden in der Erziehungs-, Familien-, Paar- und Lebensberatung verzeichnet. Viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte suchen Rat bei den Fachkräften.

Verschuldung, Verzicht, Schamgefühle, die Erfahrung von Mangel und Ausgrenzung - materielle Armut kann die Seele belasten. Die Mitarbeiter der Evangelischen Beratungsstelle Duisburg/Moers wissen um dieses Problem. Ein hoher Anteil der Frauen, Männer und Familien, die die Beratung der Fachkräfte in der Moerser und Duisburger Dienststelle suchen, haben mit den familiären und seelischen Auswirkung ihrer sozialen Not zu kämpfen. "Insgesamt setzen sich die Trends der letzten Jahre fort", stellt Ulrike Stender, Leiterin der Beratungsstelle, mit Blick auf den Jahresbericht 2014, fest. Neben den sozial benachteiligten Familien suchen auch viele Familien mit Migrationshintergrund den Rat der Fachkräfte.

Die Zahl der Familien, deren Kinder noch im Vorschulalter waren, stieg im Vergleich zu den beiden Vorjahren sogar noch an. Insgesamt 918 "Fälle" wurden in der Erziehungs-, Familien-, Paar- und Lebensberatung verzeichnet. Hinter einem "Fall" kann eine Einzelperson, ein Paar oder auch eine Familie mit mehreren Mitgliedern stehen, so dass die tatsächliche Zahl der beratenen Menschen weitaus größer ist als die "Fallzahl".

"Die tatsächliche Nachfrage lag allerdings noch höher. Es mussten in Einzelfällen Ratsuchende an andere Stellen weiter verwiesen werde, um die Wartezeiten nicht unzumutbar lang werden zu lassen", weiß Einrichtungsleiterin Ulrike Stender. Für die Beratungsstelle ein Dilemma. Denn umgekehrt verweisen niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten Therapiesuchende an die Beratungsstelle. Vom NRW-weiten Psychotherapeutenmangel ist auch die Region um Moers und in Duisburg betroffen.

Für Ulrike Stender ein Grund zur Besorgnis, denn die Zahl derjenigen, die aufgrund psychischer Leiden arbeitsunfähig werden, steigt: "Frauen und Männer, auch solche, die nicht für minderjährige Kinder zu sorgen haben, leiden unter Leistungs-, Mobilitäts- und Konkurrenzdruck im Erwerbsleben und Arbeitsplatzunsicherheit durch ständige sogenannte Restrukturierungsmaßnahmen."

Zusätzlich zu der psychologischen Beratung bietet die Einrichtung Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung an. 1064 Frauen suchten im vergangenen Jahr den Rat der Schwangerschaftskonfliktberatenden. Das bedeutete eine im Vergleich zum Vorjahr gestiegene Nachfrage.

Auch hier kommt die wirtschaftliche Not der ratsuchenden Frauen und Familien zum Tragen. Die Zahl der Anträge auf finanzielle Hilfen, die die Beraterinnen und Berater stellen, ist im Jahr 2014 gestiegen. Für die schwangeren Frauen, die sich dafür entscheiden, ihr Kind zu bekommen, leistet die Beratungsstelle zudem wichtige präventive Arbeit: "Wir begleiten die Frauen während der gesamten Schwangerschaft, damit sich eine stabile Mutter-Kind-Beziehung entwickeln kann", erklärt Ulrike Stender das Angebot.

Um späteren Problemen vorzubeugen, können Mütter zudem in der "Beratung für Eltern im Babystress" lernen, gelassener zu werden und die Signale ihres Babys besser zu verstehen. Seit dem vergangenen Jahr beraten die Fachkräfte der evangelischen Beratungsstelle außerdem zur Möglichkeit der "Vertraulichen Geburt", bei der Schwangere, die sich in einer scheinbar ausweglosen Lebenssituation befinden und deshalb die Geburt ihres Kindes geheim halten wollen, ihr Kind medizinisch betreut unter einem Pseudonym in einer Geburtseinrichtung gebären können. Bei der Beratung zur Vertraulichen Geburt fungierte die Beratungsstelle als Vorreiter: Die zuständige Fachkraft absolvierte als eine der ersten bundesweit die Pilotfortbildung für diese neue Regelung.

Die Evangelische Beratungsstelle Duisburg/Moers bietet psychologische Beratung in Erziehungs-, Familien-, Ehe/Partnerschafts- und Lebensfragen sowie Schwangerschaftskonfliktberatung an. Sie kümmert sich, getragen vom den Kirchenkreisen Moers und Duisburg, an zwei Standorten um Ratsuchende in seelischer Not. Ihr Einzugsbereich erstreckt sich auf die Kirchenkreise Moers und Duisburg und damit auf den linksrheinischen Teil des Kreises Wesel sowie auf das gesamte Stadtgebiet Duisburg.

(RP)
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