RP-Ballettscouts Heiter, vielschichtig, sprachlos machend

Duisburg · RP-Leser besuchten auf Einladung der Rheinoper die Premiere des Ballettabends "b.26" im Theater der Stadt Duisburg und sprachen gleich im Anschluss über ihre Eindrücke. Man hörte Lob, Kritik und auch ein wenig Ratlosigkeit.

 Szene "One" von Terence Kohler. Im letzten Drittel des Stücks steigen alle 32 Tänzerinnen und Tänzer, jeweils einzeln, eine Leiter hoch und verschwinden für immer hinter einer Wand. Am Schluss bleibt die Bühne minutenlang leer.

Szene "One" von Terence Kohler. Im letzten Drittel des Stücks steigen alle 32 Tänzerinnen und Tänzer, jeweils einzeln, eine Leiter hoch und verschwinden für immer hinter einer Wand. Am Schluss bleibt die Bühne minutenlang leer.

Foto: weigelt

Vertreter der Rheinoper zeigten sich nach der Premiere des Ballettabends "b.26" erleichtert darüber, dass es am Schluss kein Buh-Konzert gegeben hatte. Denn das Stück "One" von Terence Kohler, das am Samstagabend im Theater der Stadt Duisburg uraufgeführt wurde, war so angelegt, dass es verstören musste: Der Choreograph ließ über viele Minuten seine Tänzerinnen und Tänzer nach und nach langsam eine an einer Felswand gelehnte Leiter erklimmen, um dann für immer hinter der Wand zu verschwinden. Als 32 Tänzerinnen und Tänzer auf diese Weise die Szenerie verlassen hatten, blieb die Bühne leer. Die Duisburger Philharmoniker unter Leitung von Generalmusikdirektor Axel Kober spielten die Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68 von Johannes Brahms ohne Ballett-Ensemble einige Minuten lang bis zum Ende. Dann fiel der Vorhang.

 Julia Kulig machte das Stück "One" von Terence Kohler "sprachlos".

Julia Kulig machte das Stück "One" von Terence Kohler "sprachlos".

Foto: ""

Ballett-Scout Martin Breil fand dieses "Ballett ohne Tänzer" originell. Beeindruckt hatte ihn die drohende Monumentalarchitektur, die Verena Hemmerlein für "One" geschaffen hatte. Beil konnte wie andere Ballett-Scouts nachvollziehen, dass es bei der Choreographie vielleicht auch um das Thema "Flüchtlinge" geht. Einige assoziierten auch die Berliner Mauer, die nach der Wende überwunden werden konnte. Julia Kulig meinte trocken: "Das Stück hat mich sprachlos gemacht. Das muss man aber erst mal schaffen..."

Unterschiedlich wurde das erste Stück des Abends bewertet, das "Bournonville Divertissement", das vor 176 Jahren von August Bournonville kreiert wurde und nun von Johnny Eliasen für den "b.26"-Abend neu einstudiert wurde. Martin Breil sprach von "Ballett-Konfekt", das so harmlos ist, dass man darauf hätte verzichten sollen. Dr. Birgit Idelberger fand das Stück hingegen "toll". Sie habe die erfrischende Leichtigkeit, einschließlich der "Bauschigkeit" der Kostüme genießen können. Es sei herrlich, eine solch fröhliche Unbeschwertheit in Liebesdingen in einer tänzerischen Umsetzung erleben zu können, die allerdings bei den weiblichen und männlichen Ensemble-Mitgliedern ein Höchstmaß an technischem Können verlange.

 Martin Breil mag kein Ballett, das wie Konfekt wirkt.

Martin Breil mag kein Ballett, das wie Konfekt wirkt.

Foto: rp-archiv

Christoph Grätz teilte - wie auch andere - dieses Lob für das erste Stück, meinte jedoch, dass es etwas lang gewesen und damit des Guten fast zu viel gewesen sei.

Wie alle anderen Scouts empfang Dr. Kathrin Pilger das zweite Stück des Abends, "Dark Elegies", als ergreifend. Auch hierbei handelt es sich um eine historische Wiedereinstudierung: Antony Tudor (1908-1987) hatte 1937 ein Ballett nach den Kindertotenliedern auf Gedichte von Friedrich Rückert für Bariton und Orchester von Gustav Mahler geschaffen, das von den beiden amerikanischen Tudor-Experten Amanda McKerrow und John Gardner für die Rheinoper jetzt neu einstudiert wurde. Der Bariton Dmitri Vargin, auf der Bühne auf einem Stuhl sitzend, sang die Lieder.

 Birgit Idelberger fand alle drei Stücke auf jeweils eigene Art toll.

Birgit Idelberger fand alle drei Stücke auf jeweils eigene Art toll.

Foto: ""

Es sei, so Dr. Kathrin Pilger, absolut stimmig gewesen: das tanzende Ensemble in den ernst wirkenden Kostümen, die Gesten und ausdruckstarken Bewegungen, die Konstellationen der Tanzgruppen. Das alles sei unter die Haut gegangen, so auch Christoph Grätz. Man habe, so die Meinung der Scouts, die tiefe Trauer, die in den Kindertotenliedern zum Ausdruck kommt, nachvollziehen können, ohne dabei ins Bodenlose zu fallen. Einig waren sich alle Scouts darin, dass sie einen ungewöhnlichen, facettenreichen Abend erlebt hatten. (Kritik auf der Kulturseite im Hauptteil)

(pk)
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