Duisburg Goethes Werther zwischen Leid und Leidenschaft

Duisburg · Regelmäßig gastiert der Schauspieler Philipp Hochmair mit seinen Solo-Programmen (auch) in Duisburg. Am Montag war er mit Goethes "Werther!" im Stadttheater. Der Abend wurde zu einem Genuss hoher Schauspiel(er)kunst.

 Philipp Hochmair bot mit seinem "Werther!" hohe Schauspielkunst im Duisburger Stadttheater. Am Ende gab es großen Applaus.

Philipp Hochmair bot mit seinem "Werther!" hohe Schauspielkunst im Duisburger Stadttheater. Am Ende gab es großen Applaus.

Foto: Krafft Angerer

Ob als "Werther" oder "Jedermann", ob mit Kafkas "Prozess" oder "Amerika" - immer wenn Hochmair in Duisburg spielt, ist der Theatersaal erfrischend jugendlich besetzt. So war es auch am Montagabend, als er erneut nach 2006 (bei den Akzenten) und zuletzt 2010 mit Johann Wolfgang Goethes Briefroman "Die Leiden des jungen Werther" im Stadttheater gastierte. Zusammen mit Theaterregisseur Nicolas Stemann entstand aus dem 1774 geschriebenen Ursprungstext eine Spielfassung, die 1997 am Nürnberger Gostner Hoftheater inszeniert sich zwischen Lesung, Monodrama und Performance bewegt. Selbst nach fast zwanzig Jahren Tour durch Deutschland, Europa bis nach Amerika trifft dieser "Werther!" voll den Nerv der Zeit, ohne Goethes Text auch nur ansatzweise zu verunglimpfen.

Hauptsächlich liegt das an der Ausnahmeerscheinung Hochmair, der das Leid und das Leiden, als auch die liebeskranke Leidenschaft wie wohl kein zweiter von der Bühne in den Theatersaal raunen bis rufen kann. Sein Spiel zwischen Wahn und Vernunft, Hoffnung und Verzweiflung ist exzellent und genial und lässt die Zeit der 70-minütigen Aufführung wie im Fluge verstreichen. Nicht weniger großartig und außergewöhnlich ist die Inszenierung selbst, die den weltberühmten Dreieckskonflikt zwischen Werther, seiner angebeteten Charlotte (kurz Lotte) und ihrem (späteren) Ehemann Albert zum Inhalt hat. Stemann favorisiert lieber eine spärliche Bühnenausstattung (Tisch, Stuhl und ein paar Requisiten reichen) und überhöht die Sprache und das Geschehen durch Video-Live-Mitschnitte und simultane Schattenspiele, die auf verschiedene Projektionsflächen gut sichtbar übertragen werden. Musik und Mikrofonverstärkungen ergänzen dazu passend die einzelnen Fallhöhen der Szenen akustisch.

Dramaturgisch orientiert sich die Produktion am Original: Goethes Werther Teil eins umfasst den Zeitraum vom 4. Mai bis September 1771 und nutzt als Spielfläche die gesamte Bühnentiefe und -breite. Krank vor Liebe verlässt Werther schließlich Lotte ohne Abschied und begibt sich im Wunsch nach Ablenkung in den Dienst eines Gesandten. Hochmair zieht den Brecht-Vorhang und verabschiedet sich (ohne Pause) vom Duisburger Publikum. Goethes Werther Teil zwei setzt im Oktober 1771 ein - nachdem die Arbeit als Gehilfe eines Gesandten Werther keine Erfüllung bringt, kehrt er später zu Lotte zurückkehrt, die inzwischen mit Albert verheiratet ist - und endet mit seinem Suizid am 23. Dezember 1772.

Dieses Kapitel spielt Hochmair vor dem Brecht-Vorhang bis zum bitteren Ende: Ein Video-Standbild zeigt Werther schließlich mit Revolver an der Schläfe, während Hochmair die Szene von außen kommentiert und sich das Mikrofon derart auf den Kopf stülpt, dass ein lauter Knall zu hören ist.

Abgelöst wird dieser durch den ebenso heftig einsetzenden wie nicht enden wollenden Schlussapplaus eines zu Recht jubelnden Duisburger Publikums.

(RP)
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