Serie Duisburger Geschichte Und Geschichten Goethe auf der Oberstraße in Duisburg

Duisburg · Es geht beim Besuch des Dichterfürsten auch um Schwarzbrot und das zwiespältige Verhältnis eines Wirtes zu Frankreich.

 Der junge Goethe. Gemälde (Ausschnitt) von Georg Melchior Kraus, entstanden vermutlich 1776.

Der junge Goethe. Gemälde (Ausschnitt) von Georg Melchior Kraus, entstanden vermutlich 1776.

Foto: rp-bildarchiv

Mit Flüchtlingen kennt sich Duisburg seit Jahrhunderten aus. In der Folge der französischen Revolution kam die adlige französische Oberschicht in die Stadt. Sie flohen vor der neuen Jakobinerherrschaft. Bald bildeten sich in Duisburg zwei Fraktionen, eine kleine pro-französische und eine größere contra-französische. Wie wenig beliebt die Franzosen der adligen Oberschicht bei den Duisburgern waren, darüber berichtete kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832). Viele stießen sich an der "Rangsucht und Unbescheidenheit der unwillkommenen Gäste". Sie verschmähten sogar das gute Duisburger Schwarzbrot. "Nur die Gewohnheit lässt dieses schwer verdauliche und abführende Brot ertragen. Es sollte kein Nahrungsmittel sein, weil es von allen Sinnen verabscheut wird...", so das vernichtende Urteil eines Franzosen.

Das kam beim Duisburger Kronengastwirt auf der Oberstraße gar nicht gut an. Am 4. Dezember 1792 hielt die Postkutsche auf der Oberstraße 35 vor dem Gasthof "Goldene Krone". "Schon wieder einer dieser Franzosen", murmelte der Wirt. Mit aufgesetzter Höflichkeit - die Migranten-Hotellerie war ja ein lukratives Geschäft - öffnete er den Wagenschlag.

Der Wirt erkannte sofort: Ein Franzose war das nicht; der Gruß bestätigte es eindeutig. In vornehmer Ruhe und mit der "Aussicht auf die angenehmste Einkehr" stieg der Fremde aus. An der Mittagstafel saßen ganze Reihen vertriebener Franzosen. Wirt und Wirtin entschuldigten sich, dass alle guten Plätze von diesen "unwillkommenen Gästen" besetzt seien. Während sie ihn zu einem Platz geleiteten, hielten sie mit ihrem Unmute über die lästigen Fremdlinge nicht zurück. Der vornehme Gast kommentierte dies nicht. Er nahm Platz und beobachtete nachdenklich das Geschehen. Der Kronenwirt ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wer der vornehme Deutsche war, der mit dem Strom der Flüchtlinge von Düsseldorf nach Duisburg gekommen war. Erst als der Gast als Besuchsanlass den Namen des Universitätsprofessors Plessing nannte, begriff er schlagartig, dass der große Dichterfürst Goethe unter seinem Dach Herberge suchte. "Exzellenz Goethe, ich bedanke mich für die hohe Ehre!", brachte er überrascht hervor. Dann servierte er beflissen das Mittagsmahl. Etwa nach der Hälfte des Mahls nahm ein junger Fußwanderer gegenüber von Goethe Platz. Der Dichterfürst beschreibt das unauffällige Verhalten des Gastes später wie folgt: "Der junge Mann speiste, was man ihm vorsetzte, mit ruhigem Behagen." Dazu trank er ein Glas Wein. Die Rechnung lag weit unter dem üblichen Preis. Die überraschende Begründung des Wirtes gegenüber Goethe lautete: "Er war der erste von diesem vermaledeiten Volk, der das deutsche Schwarzbrot zu schätzen wusste."

Goethe blieb noch bis zum 6. Dezember 1792 im Gasthof "Zur goldenen Krone" und besuchte den Philosophie-Professor Plessing an der Alten Universität Duisburg. Die Beziehung mit Plessing knüpfte an das sentimental-romanhafte Treffen 15 Jahre zuvor an. "Plessing oder der magnetische Traum" schildert diese Begegnung. Goethe schied im besten Einvernehmen mit Plessing, aber er verließ ihn "in Furcht und Sorge wegen der drangvollen Zeit". Der anschließende Gedankenaustausch mit dem hoch geschätzten Professor Blasius Merrem zeigt, dass Goethe die Beziehungspflege "mit manchem Nutzen" verband. Die vielfältigen Freundschaften und Kontakte zeigen, dass nicht nur die beiden Duisburger Professoren Teil eines sozialen Netzwerkes des Dichterfürsten waren.

Dazu gehörten auch der berühmte Professor Gottlob Leidenfrost und Friedrich Arnold Hasenkamp, Rektor des Duisburger Gymnasiums, des heutigen Landfermann-Gymnasiums.

Quelle: (1) Die Kampagne in Frankreich 1792, Johann Wolfgang von Goethe.

(RP)
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