Duisburg Fragen des "sozialen Geschlechts"

Duisburg · "Katzentisch" heißt eine neue Veranstaltungsreihe im Lokal Harmonie. Es geht darum, feministische Perspektiven neu zu diskutieren. Zur Eröffnung kam 19 Interessierte, darunter zehn Frauen, acht Männer - und ein Hund.

 Die Macherinnen vom "Katzentisch" im Lokal Harmonie: Sarah Berndt (links) und Christina Böckler. Mit dabei ein "mobiler Büchertisch" mit lesenswerter feministischer Literatur.

Die Macherinnen vom "Katzentisch" im Lokal Harmonie: Sarah Berndt (links) und Christina Böckler. Mit dabei ein "mobiler Büchertisch" mit lesenswerter feministischer Literatur.

Foto: Stefan Schroer

Das "Lokal Harmonie" in Ruhrort ist immer für Überraschungen gut: Ihr neuestes vom NRW-Kulturministerium im Rahmen der "Kreativ.Quartiere" geförderte Programm heißt "Gut für alle - Investitionen" und beschäftigt sich (nicht nur) mit Themen des Duisburger Hafenstadtteils. Damit wollen die Macher einmal mehr kulturelle Impulse im Stadtteil selbst und darüber hinaus setzen sowie gleichermaßen zum öffentlichen Diskurs aufrufen beziehungsweise zur sinnlichen Anregung beitragen, ob mit Theater, Literatur, bildender Kunst, Musik oder mit Diskussionen.

Jetzt hatte innerhalb des neuen "Kreativ.Quartiere"-Projekts die Veranstaltungsreihe "Katzentisch" Premiere. Gekommen waren 19 Interessierte, darunter zehn Frauen, acht Männer und ein Hund. Das von Sarah Berndt ("Lokal Harmonie") initiierte und konzipierte und zusammen mit Christina Böckler ("KunstQuartier") durchgeführte Veranstaltungsformat will feministische Perspektiven neu diskutieren und den Begriff des Feminismus' aktualisieren - so ihre Absicht. Und das soll an jedem vierten Mittwoch im Monat bis Jahresende im Lokal Harmonie stattfinden: Das nächste Mal am 26. August erneut um 19 Uhr.

Auf die Frage, warum die Veranstaltungsreihe denn "Katzentisch" heiße, antwortete Berndt: "Bei Familienfeiern sitzen häufig die Kinder an sogenannten Katzentischen. Und in Restaurants befinden sich diese entweder am Eingang oder nahe der Toilette; in beiden Fällen also fernab des eigentlichen Geschehens. Katzentische haben oder schaffen Distanz zum zentralen Beisammensein." Katzentische seien schlicht und ergreifend hochinteressant, so ihr Credo.

Doch gesessen und debattiert wurde bei der Erstversammlung keineswegs an einem solchen, sondern in einem Stuhlkreis. Gleich zu Beginn der Diskussion löste Doris Freer, die amtierende Frauenbeauftrage der Stadt Duisburg ("Ich finde es klasse, dass es diese Initiative hier im Stadtteil gibt."), eine wichtige Begriffsdebatte über den Unterschied zwischen "Feminismus" und "Gender Mainstreaming" aus. Der englische Ausdruck "Gender" bezeichne nämlich das sozialerworbene Geschlecht eines Menschen im Unterschied zu dessen biologischem. "Gender" würde mithin als soziale Realität gesehen und nicht als natürlich gegebenes Faktum. "Mainstreaming" wiederum sei die Strategie, die Methode, das Geschlechterthema in den "Hauptstrom" der Politik zu bringen. "Doch seit der 'Gender'-Debatte haben die Männer wieder Oberwasser", kritisierte Freer die teils kontraproduktive "durchgängige Gleichstellungsorientierung". Frauenbeauftrage würden ihrer Meinung nach zu Gleichstellungsbeauftragten reduziert und Frauenförderpläne abgeschafft.

Außerdem ging die Diskussionsrunde der Frage nach, ob der Begriff des Feminismus' antiquiert und Frauen und Männer gleich seien. Freer: "Männlichkeit und Weiblichkeit sind nicht Sache der Natur, sondern der Kultur. Mit anderen Worten: Die Frage der sozialen Geschlechtlichkeit ist abhängig von Gesellschaft, Erziehung und Sozialisation." Diese These wird im Übrigen das zentrale Thema des nächsten Treffens am 26. August beherrschen, das als Ausgangstext einen Aufsatz von Charlotte Mohs und Korinna Linkerhand zugrundelegt mit dem Titel: "Natürlich gesellschaftlich? Überlegungen zu Arbeit, Natur und Geschlecht."

Ergänzt wurde die erste "Katzentisch"-Veranstaltung durch einen eingespielten Fernsehbeitrag "Nieder mit den Ampelmännchen - Deutschland im Gleichheitswahn" der ARD-Sendung "hart aber fair" vom März dieses Jahres. Auch dort ging es um gesellschaftlich gemachte Geschlechterunterschiede und um noch zu "gendernde" öffentliche Sprachregelungen. Zu diesen wie zu vergleichbaren Themen hat Berndt einen kleinen, aber feinen "mobilen Büchertisch" mit lesenswerter feministischer Literatur zusammengestellt, darunter unter anderem Silvia Federici ("Aufstand aus der Küche: Reproduktionsarbeit im globalen Kapitalismus und die unvollendete feministische Revolution"), Simone de Beauvoir ("Das andere Geschlecht: Sitte und Sexus der Frau") und Anne Wizorek ("Weil ein Aufschrei nicht reicht. Für einen Feminismus von heute").

(RP)
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