Duisburg Familie Flöz: Mit "Haydi" in zwei Welten

Duisburg · Das mit dem Theater Duisburg kooperierende Schauspiel-Ensemble erweitert sein Repertoire.

 Erstmals stehen die Flöz-Schauspieler (hier v.l. Hajo Schüler und Björn Leese) beim Stück "Haydi" ohne Masken auf der Bühne. i

Erstmals stehen die Flöz-Schauspieler (hier v.l. Hajo Schüler und Björn Leese) beim Stück "Haydi" ohne Masken auf der Bühne. i

Foto: gianni betucc

Die "Familie Flöz" hat in Duisburg nach rund 40 Gastspielen längst ein großes Stammpublikum. Das wurde bei der jüngsten Premiere am Freitagabend überrascht. Zum ersten Mal zeigt das Ensemble mit "Haydi" kein reines Maskentheater, sondern ein Stück, bei dem die Schauspieler "Gesicht zeigen".

 Erstmals stehen die Flöz-Schauspieler (hier v.l. Andrés Angulo und Björn Leese) beim Stück "Haydi" ohne Masken auf der Bühne.

Erstmals stehen die Flöz-Schauspieler (hier v.l. Andrés Angulo und Björn Leese) beim Stück "Haydi" ohne Masken auf der Bühne.

Foto: regina brocke

Das ist ein riskantes Experiment. Schnell zeigte sich im gut gefüllten Theater, dass sich das Risiko gelohnt hat. Zwar tragen die Schauspieler in "Haydi" mit Ausnahme der rührenden Schluss-Szene keine Masken, aber mit wechselnden Verkleidungen und ebenso wechselnden Rollen arbeitet Regisseur Michael Vogel ähnlich wie in seinen früheren Stücken mit klaren Typisierungen.

Und obwohl bei "Haydi" erstmals gesprochen wird, dient die Sprache keineswegs als Transportmittel von Inhalten. Vielmehr werden die Wortfetzen in Französisch, Niederländisch, Italienisch und Schweizerdeutsch auf urkomische Weise auf den Tonfall reduziert und unterstützen, ähnlich wie die eingespielte Musik und die Soundkollagen, das pantomimische, klug durchchoreographierte Spiel.

Bei keiner Flöz-Aufführung zuvor gab es einen so großen Spalt zwischen Komik und Tragik wie bei "Haydi". Der Titel ist doppeldeutig. Zum einen wird auf die bekannte Alm-Geschichte vom Mädchen Heidi und dem Großvater angespielt. Zum anderen bedeutet "Haydi" im Türkischen so viel wie "voran, aufwärts"., verriet Regisseur Vogel beim Schauspielführer live. Das Stück spielt in zwei Welten. Da wird das trostlose Schicksal einer Flüchtlingsfamilie erzählt: Die Eltern verlassen aus purer Not ihre kleine Tochter, die beim Großvater zurückbleibt. Der Traum von einem besseren Leben in einem anderen Land erfüllt sich nicht. Das Mädchen wird von zwei Grenzbeamten, die sich die Zeit mit albernen Scherzen vertreiben, tot aufgefunden.

In der anderen Welt sehen wir die Angestellten in einer Behörde. Und da spielt das Ensemble das Gehabe der Vorgesetzten und Untergebenen, das Schleimen und Mobben, das Emsige und Langweilige, das Offizielle und allzu Private grotesk überzogen aus.

Die Welt der Flüchtlinge wird auf einer Leinwand per Video gezeigt. Hier tragen die Akteure jene Masken, die das Flöz-Ensemble bekannt gemacht haben. Die Pointe der Inszenierung besteht darin, dass die banale Beamten-Welt und das tragische Schicksal der Flüchtlingsfamilie zusammengeführt werden. Das gelingt auf beeindruckende, tief berührende Weise. Riesenapplaus für die Inszenierung und das Schauspieltrio Björn Leese, Hajo Schüler und Andrés Angulo.

(RP)
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