Duisburg Eisenwarenhandlung wird Kulturort

Duisburg · Das Lokal Harmonie an der Harmoniestraße 41 in Ruhrort gilt als Wegbereiter für das heutige "Kreativquartier". Es wurde mit den Spielstättenpreisen des Landes und des Bundes ausgezeichnet.

 Kulturdezernent Thomas Krützberg (zweiter von links, stehend) gehörte zu den Gratulanten bei der Vergabe des Spielstättenpreises.

Kulturdezernent Thomas Krützberg (zweiter von links, stehend) gehörte zu den Gratulanten bei der Vergabe des Spielstättenpreises.

Foto: Ensemble Pninin

"Zum Beispiel Ruhrort: Lass' uns ein Warentransportmittel nehmen und hinfahrn, wo`s schön ist" hieß Anfang 2008 ein interdisziplinäres Kunst- und Theorie-Projekt von Künstlern, Theatermachern und Intellektuellen im Duisburger Hafenstadtteil. Zu den damals wichtigsten Initiatoren gehörten die Schauspielgruppe "Theater Arbeit Duisburg" (TAD), die Videokünstlerin Ruth Bamberg, der Musiker Philippe Micol und das Forschungskollektiv "Theorie und Praxis" (TuP).

Vorausgegangen war zwei Jahre zuvor die Schließung der damaligen Eisenwarenhandlung Hennes auf der Harmoniestraße 41. 1856 gegründet, war sie eine Zeitlang das Eisenwaren-Fachgeschäft der Stadt, in dem es Metallwaren und Haushaltsartikel aller Art gab. Firmeninhaber Johann Hennes hatte dort eine Produktpalette angeboten, die dem Sortiment eines heutigen Baumarktes kaum nachstand. Vor allem konnte man jedes Teil noch einzeln kaufen, brauchte nicht gleich ein 50er-Pack Schrauben mitnehmen, wenn man nur drei wollte. Der Verkaufsraum war zirka vier Meter hoch und bis unter die Decke mit Schubladen ausgestattet. Ohne Leiter ging da nichts.

Doch 2006 nach 150 Jahren war Schluss. Zwei Jahre lang stand der Laden leer, bis eben besagte Kulturleute kamen und das Ladenlokal anmieteten. "Zum Beispiel Ruhrort ..." sollte der erste Teil eines bis in das Jahr 2011 angelegten Kunstprojektes über "Arbeit und Leben im Wandel" sein.

Dabei wurde der Ort für die Dauer des Projektes zu einer öffentlichen künstlerischen wie theoretischen Produktions- und Forschungsstätte. Ab April 2008 fanden dann erste regelmäßige Konzerte, Vorträge und Performances statt.

"Was uns beschäftigt" lautet das Motto der 31. Duisburger Akzente desselben Jahres und passte sozusagen lupenrein zu diesem künstlerischen Forschungslaboratorium, das sich fortan HENNES-Lokal nannte. Gleich die erste Theaterpremiere vom TAD "Our Town. Ruhrort" nach Thornton Wilder war so erfolgreich, dass sie postwendend zum NRW-Theatertreffen "Favoriten - Theaterzwang" eingeladen wurde.

Die Arbeit in Ruhrort schuf viele Kontakte. Auch bildete sich 2009 ein neues Team im Lokal: Es entstand das "Lokal Harmonie". Und so ging es weiter mit Nutzungen des Lokals als Reflexions-, Produktions- und Veranstaltungsstätte - bei den Duisburger Akzenten 2009 gebündelt zum Projekt "Lokal Harmonie Bosporus".

Im Rahmen der Kulturhauptstadt RUHR.2010 verwandelte sich ganz Ruhrort für zwei Wochen in ein quirliges Kunstquartier, fast alle der sehr vielen Leerstände des Stadtteils wurden zu Ausstellungsorten, Clubs und Bühnen. Das Lokal Harmonie beteiligte sich an diesem Event mit dem interdisziplinären Projekt "Ruhrort 2010". Nach Ende dieses Festivals blieb aus der Reihe der für künstlerische Produktionen genutzten Leerstände (vorerst) einzig das Lokal Harmonie übrig.

Doch auch dies nicht dauerhaft. Denn im Juli 2010 ereignete sich die Katastrophe der Duisburger Loveparade. Alle bauamtlichen Bestimmungen wurden verschärft, viele Orte geschlossen. Auch das Lokal Harmonie erhielt keine neue Betriebserlaubnis. Fast zeitgleich gründete sich in Ruhrort der damalige Kreativkreis und die RUHR.2010 verlieh dem Stadtteil den Titel "Kreativ.Quartier." Das Lokal Harmonie wurde als Prototyp dieses urbanen Wandlungsprozesses zur "Kulturellen Kraftzentrale" für seine Entwicklung und damit Wegbereiter für das heutige Kreativquartier Ruhrort.

"Das Lokal Harmonie ist alltäglich ein Ort der Produktion: für künstlerische, soziokulturelle und konzeptionelle Arbeit, für kulturelle Bildung, für interdisziplinäre Begegnungen und für gedanklichen Austausch. Aktuell werden die zwei Etagen des Lokals genutzt von sozial-kulturell und kulturpolitisch Aktiven sowie von Künstlern der Bereiche Theater, Performance, Hörspiel, Klangkunst, Fotografie, Film, Social Art und Musik", heißt es auf dessen Website.

Große Anerkennung genießt das Lokal mittlerweile im Bereich der Improvisierten Musik als auch im Bereich von Radiokunst. 2015 wurde es mit dem NRW-Spielstätten-Programmpreis prämiert, im vergangenen Jahr sogar mit dem des Bundes. Und seit diesem Jahr ist das Lokal Harmonie dritter bundesweiter Spielort für "Hörtheater" des Berliner Hörfunksenders Deutschlandradio Kultur (die RP berichtete).

(RP)
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