Walter Smerling Eine Expedition in ein anderes Land

Duisburg · Die Menschen, die in China deutsche Autos und Waschmaschinen kaufen, können bald auch die deutsche Kunstszene und die Kultur unseres Landes kennenlernen, meint der Kurator der großen Ausstellung "Deutschland 8".

 CAFA-Präsident Fan Di'an und Walter Smerling bei der Vertragsunterzeichnung.

CAFA-Präsident Fan Di'an und Walter Smerling bei der Vertragsunterzeichnung.

Foto: CAFA Beijing

Walter Smerling, Vorstandsvorsitzender der Stiftung für Kunst und Kultur und zugleich Direktor des Museums Küppersmühle für moderne Kunst, hat vor zwei Jahren die große Verbundausstellung "China 8" möglich gemacht. Nun ist er Kurator der Nachfolgeausstellung "Deutschland 8". Mit Walter Smerling sprach Peter Klucken.

"China 8" hat vor zwei Jahren viel Beachtung gefunden. Wie ist Ihre persönliche Bilanz dieses Projekts?

Smerling CHINA 8 war eine außergewöhnliche Erfahrung, sowohl in kuratorischer und organisatorischer Hinsicht als auch durch die Integration acht verschiedener Ausstellungsorte in kulturpolitischer Hinsicht. Mit CHINA 8 haben wir erstmals die chinesische Kunst in großer Vielfalt an Rhein und Ruhr präsentieren können, und das ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in China mit großem Interesse wahrgenommen worden.

Hatten Sie schon damals im Hinterkopf, dass es zu "CHINA 8" auch eine Anschluss-Ausstellung geben wird, bei der deutsche Künstler ihre Werke in China präsentieren?

Smerling Die Idee entstand erst am Ende der Ausstellungslaufzeit beim Besuch von Bundespräsident Gauck. Der chinesische Botschafter Shi Minge lud mich ein, die "Gegen"-Ausstellung" zu machen - "Deutschland 8" in Peking. Der Bundespräsident verkündete das sofort, und damit war die Sache gesetzt. Tatsächlich kam dann die offizielle Einladung durch Fan Di'an, den Präsidenten der CAFA, der Central Academy of Fine Arts in Peking, zusammen mit der großen Überraschung, auch in der Verbotenen Stadt im Tai Miao Tempel ausstellen zu dürfen. Der kaiserliche Ahnentempel aus der Ming- und Qing-Dynastie, seit 1950 der "Kulturpalast der Werktätigen", ist eine Art Heiligtum chinesischer Kulturgeschichte. Dort zeigen wir nun die Künstler, die erstmals nach dem zweiten Weltkrieg wieder internationales Ansehen erhielten. Beuys, Kiefer, Richter, Polke waren beispielsweise diejenigen, die in den 1970er- und 1980er-Jahren deutsche Kunst in den USA ausstellten. Die Präsentation westlicher Gegenwartskunst - das gab es in der Verbotenen Stadt noch nie. Insofern ein tolles Ergebnis auch der CHINA 8-Ausstellung und ein wunderbares Zeichen für die Bereitschaft zum interkulturellen Dialog.

Wie wurden die Werke ausgesucht, die nun in China gezeigt werden? Gab es auf chinesischer Seite Vorgaben oder besondere Wünsche?

Smerling Wir sind ein kuratorisches Team, bestehend aus CAFA-Präsident Fan Di'an und mir sowie ZKM-Vorstand Peter Weibel als Experte für Film und Video. Wir haben gemeinsam über die wichtigen Positionen der letzten 60 Jahre diskutiert und uns auf 55 deutsche Künstler geeinigt, ohne dabei einen enzyklopädischen Anspruch zu verfolgen. Es geht uns vielmehr darum, wichtige Einblicke zu vermitteln. Wir vergleichen das gerne mit einer Expedition in ein anderes Land. Bei einer solchen Reise macht man Entdeckungen, und es wird Interesse an mehr geweckt.

Welche logistischen Herausforderungen sind mit dem chinesischen Ausstellungsprojekt verbunden?

Smerling Die finanzielle und logistische Herausforderung eines solchen Projektes ist natürlich immens. Rund 300 Werke, 55 Künstler und 37 Leihgeber, mit all den konservatorischen und organisatorischen Bedingungen verlangen nach einer hochgradig professionellen Vorbereitung und Umsetzung. Wir sind sehr froh über die Kooperation mit der Firma Hasenkamp, die große Erfahrung mit Transporten hochwertiger Kunstwerke nach Asien hat und die Kommunikation mit den chinesischen Partner-Museen hervorragend umsetzt. Air China übernimmt fast den gesamten Transport - eine ganz wesentliche Voraussetzung für die Präsentation in Peking. Der Zugtransport, den die Duisburger Hafen AG ermöglicht hat, besteht zwar nur aus zwei Kunstwerken, sollte aber symbolhaft die Dimension dieses Eurasien-Projektes vermitteln.

Und wer bezahlt das alles?

Smerling Dieses Projekt ist nur möglich, weil eine Vielzahl deutscher und chinesischer Partner an einem Strang ziehen. An erster Stelle ist hier Volkswagen zu nennen, ohne dessen Initiativ-Sponsoring das Ausstellungsvorhaben vielleicht gar nicht zustande gekommen wäre. Air China ist der zweite Hauptsponsor mit einem ebenso beachtlichen Engagement. Wichtige Unterstützung kommt auch vom Auswärtigen Amt, der Siemens AG und Allianz. Zahlreiche weitere Firmen wie die Würth Group, Huawei, Kion, Lufthansa und Rheinmetall bilden einen großen Sponsor-Pool, der deutlich macht, dass auch die Unternehmen verstanden haben, dass neben den Wirtschaftsbeziehungen beider Länder der kulturellen Dialog von essentieller Bedeutung ist. Das Verständnis füreinander wird durch die gegenseitige Präsenz von Kunst und Kultur gefördert. Die Menschen, die in China unsere Autos, Waschmaschinen und Kühlschränke kaufen, haben mit "Deutschland 8" nun die Möglichkeit, tiefer in die Dimensionen der aktuellen deutschen Kunstszene und der deutschen Kultur einzusteigen.

(RP)
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