Duisburg Ein Stück NS-Geschichte beleuchtet

Duisburg · Dr. Anselm Faust eröffnete im Landesarchiv eine Vortragsreihe, die sich mit der Geheimen Staatspolizei während der Nazi-Zeit beschäftigt. Die Akten wurden in einer Dokumentation veröffentlicht. Ein einzigartiges Geschichtsdokument.

Duisburg: Ein Stück NS-Geschichte beleuchtet
Foto: Pressefoto Andreas Probst

Der Vortragssaal des Landesarchivs war zur Freude der Veranstalter sehr gut besucht. Anlass war die Vorstellung des letzten Bandes des vierbändigen Zeitdokuments "Lageberichte Rheinischer Gestapostellen 1934-1936". Dr. Anselm Faust, der als Herausgeber wesentlich an dem mehr als 3600 Seiten starken Buchprojekt beteiligt war, stellte das nach Jahren intensiver Forschungsarbeit nun abgeschlossene Gesamtwerk anhand eines erläuternden Referats mit dem beziehungsreichen Titel "Der Rheinländer hat von Natur aus eine kritische Einstellung" der Öffentlichkeit vor. Der Vortrag des früheren Dezernatsleiters des Landesarchivs war gleichzeitig der Beginn der Vortragsreihe "Erinnerungskultur", die in den folgenden Monaten ebenfalls im Landesarchiv am Innenhafen stattfindet. Begleitet wird die zeitgeschichtliche Reihe der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde von einer Ausstellung im Foyer des Landesarchivs, bei der Auszüge aus Personenakten der Gestapo vielfältige Einzelschicksale in bedrückender Weise deutlich werden lassen.

Dass es überhaupt möglich war, nach Ende des Zweiten Weltkriegs Einsicht in rund 72.000 Personenakten zu bekommen, sei dem Umstand zu verdanken, dass die bereits eingesetzte Aktenvernichtung von den Amerikanern gestoppt werden konnte, wie Martina Wiech vom Landesarchiv berichtete ("Die Front war schneller"). Der weitgehende Erhalt der Akten der Düsseldorfer Gestapo-Stelle - nach Berlin die zweitgrößte im Reich - die ab 1939 auch für die Regierungsbezirke Köln, Aachen, Trier und Koblenz zuständig war, sei "schon einzigartig". Anselm Faust stellte in seinem Vortrag die monatlichen Lageberichte der Gestapo, auf die er während seiner jahrelangen Forschungsarbeit zurückgreifen konnte, in den Vordergrund.

Dabei machte er deutlich, dass die Lageberichte dazu dienten, die Stimmung der Bevölkerung nach Berlin zu melden. Berichtet wurde zudem über die wirtschaftliche Entwicklung, das Verhalten "gegnerischer" Organisationen wie die verbotenen Parteien und Gewerkschaften sowie über die Kirchen. Aber auch das Verhalten der Parteigliederungen der NSDAP vor Ort wurde observiert. Autor Faust wies darauf hin, dass die allgemeine wirtschaftliche Lage in den ersten Jahren nach der "Machtergreifung" durchaus kritisch blieb: "Im Jahr 1935 war die Stimmung auf dem Tiefpunkt, die Lage war nicht besser als 1933." Bei den Nationalsozialisten ging die Furcht um, dass die "allgemeine soziale Missstimmung" destabilisierend wirken würde und die immer noch große wirtschaftliche Not "Wasser auf die Mühlen der Marxisten" sein könnte. Faust machte klar, dass das NS-Regime in den ersten Jahren offensichtlich kein Vertrauen in die Loyalität der Bevölkerung hatte.

Die kritische Stimmung, die besonders im Rheinland deutlich wurde, meldete die Gestapo ungeschminkt nach Berlin weiter. Viel Kritisches bekamen die Berliner Machthaber auch über ihre Parteimitglieder vor Ort zu lesen. Da wurde bemängelt, dass diese sich unzulässigerweise in Verwaltungsvorgänge einmischten und zudem "inkompetent, anmaßend und korrupt" seien. Die Berichte der Gestapo, die die Lage realistisch schilderten und ein geradezu niederschmetterndes Bild der Parteigliederungen zeichneten, wurden bereits 1936 eingestellt ("Zu negativ für das Regime"). Sie wurden 1939 durch die "Meldungen aus dem Reich" ersetzt, für die dann der "Sicherheitsdienst des Reichsführers SS" zuständig war.

Weitere Termine der Vortragsreihe "Erinnerungskultur": 19. April, NS-Verfolgung von Sinti und Roma. Referentin ist Dr. Karola Fings (NS- Dokumentationszentrum der Stadt Köln). 10. Mai: Ausgrenzung der Homosexuellen aus der "Volksgemeinschaft" ( Dr. Jürgen Müller, (NS- Dokumentationszentrum der Stadt Köln). 31. Mai, Johanna Niederhellmann, eine sozialdemokratische Widerstandskämpferin und die Erinnerungskultur in Duisburg (Dr. Andreas Pilger, Stadtarchiv Duisburg). 14. Juni, Erinnerungskultur der Mehrheitsgesellschaft und innerjüdische Perspektive ( Dr. Uri-Robert Kaufmann, Alte Synagoge Essen).

Die Vorträge beginnen jeweils um 18 Uhr. Um 17.30 Uhr besteht die Möglichkeit, im Rahmen einer halbstündigen Führung das Landesarchiv kennenzulernen. Treffpunkt ist das Foyer des Landesarchivs. Die Teilnahme an den Vorträgen und den Führungen ist kostenlos. Nach den Vorträgen lädt das Landesarchiv zu einem kleinen Umtrunk ein.

(RP)
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