Duisburg Ein Stück Geschichte kehrt zurück

Duisburg · Teile der Münzstraße sind derzeit für Dreharbeiten zum ARD-Film "Gladbeck" gesperrt. Er lässt die Fußgängerzone fast so erscheinen, wie sie früher war: belebt.

 "Gladbeck" in Duisburg: Die berühmte Szene, in der Journalisten und Schaulustige das Auto der Gangster und ihrer Geiseln begutachten.

"Gladbeck" in Duisburg: Die berühmte Szene, in der Journalisten und Schaulustige das Auto der Gangster und ihrer Geiseln begutachten.

Foto: Christoph Reichwein

Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Eindrücke aus einer bestimmten Epoche allerdings können durchaus im Nachhinein wieder lebendig werden. Die Münzstraße hat sich in ihrem unteren Teil den Charme bewahrt, der in das Jahr 1988 passt. Und wo es nicht stimmt, sorgen derzeit Schaufensterdekorationen für einen authentischen Eindruck von damals - aus dem Jahr, in dem zwei Schwerverbrecher in Gladbeck in einer Bank Geiseln nahmen und mit ihnen quer durch Deutschland und die Niederlande fuhren.

Mitten im Herzen der Duisburger Innenstadt finden seit vergangenen Montag die Dreharbeiten zu dem Film "Gladbeck" statt, der die tragischen Ereignisse des Sommers 1988 nachzeichnet: Dort schlägt am 16. August ein Banküberfall fehl. Die zwei Täter nehmen unter anderem zwei junge Frauen als Geiseln, die sie 54 Stunden lang in ihrer Gewalt halten. Scharen von Journalisten begleiten die Täter auf ihrer Flucht, Fernsehen und Radio liefern live Material und dokumentieren so zum ersten Mal ein Verbrechen in Echtzeit.

 Gedreht wird auf der Münzstraße, gezeigt werden soll im Film aber die Kölner Innenstadt von 1988: Das Fluchtauto vor dem Café Kremer.

Gedreht wird auf der Münzstraße, gezeigt werden soll im Film aber die Kölner Innenstadt von 1988: Das Fluchtauto vor dem Café Kremer.

Foto: Crei

Diese neue Art der Berichterstattung entfachte damals eine große Diskussion - unter anderem über die Sensationsgier und Distanzlosigkeit mancher Pressevertreter. Denn während der Berichterstattung liefern die Medien teilweise schockierende Bilder und Interviews mit den Tätern. Beide Räuber präsentierten sich den Journalisten stets mit einer Pistole, demonstrierten immer wieder, dass sie zu allem entschlossen sind. Der Film soll den Fall aus verschiedenen Blickwinkeln erzählen und die Verkettung der Geschehnisse aufzeigen, die am Ende drei Menschen das Leben kosteten. Bei der Aufklärung des Falls war die Polizei vielfach überfordert, auch ihre Arbeit wird im Film kritisch hinterfragt.

Für die Dreharbeiten ist im unteren Teil der Münzstraße die Fassade eines "Café Kremer" entstanden. Daneben wirbt eine Schaufensterbeschriftung für ein alteingesessenes Kölner Strumpfgeschäft. Wo C&A war, ist im Film das Damenbekleidungsgeschäft "Dahmen". Trotz des Regens sind die Dreharbeiten seit Montag in vollem Gange. Vor der Kulisse des Cafés sammelte sich an einem der Drehtage eine große Menschenmenge um einen mausgrauen BMW mit niederländischem Kennzeichen - eines der Fluchtautos der Geiselnehmer. Kameras und Mikrofone versperrten zwar die Sicht. Wer sich aber an das Geiseldrama erinnert, hatte dennoch ein Déjà-vu.

In Wirklichkeit sind zumindest im oberen Teil "gefakte" Schaufenster für die Münzstraße kein Thema. Fast alle Lokale sind belegt, nur nach dem "womit" fragt man besser nicht. Schuhe, genauer irgendeine billige Art von Fußbekleidung, gibt es heute dort, wo sich früher der echte Fachhandel konzentrierte. Daneben wird verhökert, was gerade auf dem Markt zu kriegen ist - von Billig-Bekleidung über Lebensmittel bis Krimskrams.

Im Mai vergangenen Jahres haben zwei Altstadtmanager ihre Arbeit aufgenommen und versuchen, dem vernachlässigten Viertel wieder Leben einzuhauchen. Bislang ist Ramsch offenbar die einzig machbare Variante zu Leerstand. Vor allem die beiden großen Textilhäuser, einst Publikumsmagnet, sind offenbar unvermietbar. Als C&A von der Münzstraße ins Forum umzog (und sich dort kleiner setzte), war das wie ein Todesstoß für die Münzstraße. Das renommierte Bekleidungsgeschäft Hettlage, der Nachfolger P&C, das Quelle Warenhaus, in das später Sinn&Leffers einzog - alles Vergangenheit. Inzwischen hat auch das Schuhhaus "Schlattholt" die Münzstraße verlassen. Kein Wunder, wenn sich der Geschäftsführer des Duisburger Einzelhandelsverbandes wünscht, dass sich hinter den für die Filmaufnahmen dekorierten Schaufenstern wirklich Geschäfte befänden.

Der Zweiteiler "Gladbeck" läuft im kommenden Jahr in der ARD. "Wir bedanken uns bei der Stadt Duisburg", wird es dann vermutlich irgendwo im Abspann heißen. Wir bedanken uns auch - nämlich dafür, dass ein paar Tage lang der Münzstraße wieder Leben eingehaucht wurde, wie wir es noch von früher kennen.

(jl)
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