Rp-Serie Duisburger Geschichte Und Geschichten Ein Japaner an der Alten Universität

Duisburg · Mit dem angesehenen Rektor Clauberg wird 1655 Duisburg für viele junge Studenten ein Anziehungspunkt. Petrus Hartzingius Japonensis genannt "Der Japaner" gilt als erster japanischer Student in Europa.

 Die aktuelle Inszenierung der Puccini-Oper "Madama Butterfly" erinnert ein wenig an die Lebensgeschichte des Studenten Petrus Hartzingius Japonensis, der sich 1655 an der Duisburger Universität einschrieb.

Die aktuelle Inszenierung der Puccini-Oper "Madama Butterfly" erinnert ein wenig an die Lebensgeschichte des Studenten Petrus Hartzingius Japonensis, der sich 1655 an der Duisburger Universität einschrieb.

Foto: hans jörg michel (DOR)

Freunde der Rheinoper erfreuen sich zurzeit an der "Madama Butterfly". Ähnlichkeiten mit der folgenden Geschichte drängen sich auf. Dabei spielt die Alte Universität Duisburg und eine kleine künstliche Insel vor der Küste Nagasakis eine bedeutende Rolle. Wir schreiben das Jahr 1655: Die neu gegründete Universität Duisburg ist in aller Munde. Die Euphorie ist groß. Mit dem angesehenen Rektor Clauberg wird Duisburg für viele Studenten ein Anziehungspunkt.

90 Studenten schreiben sich in das Matrikelbuch ein. Darunter ein Niederländer mit fernöstlichem Aussehen. Sein Name lautet: Petrus Hartzingius Japonensis, genannt "Der Japaner". Er will in Duisburg physicae (Naturwissenschaften) und metaphysicae (Naturphilosophie) studieren. Nach der Einschreibung treffen sich einige Studenten im Gasthaus. Das Bier sorgt dafür, dass die Neulinge schnell im studentischen Leben ankommen. "Der Japaner" erweist sich als trinkfreudig und erzählt eine unglaubliche Geschichte: "Ich komme aus der Hafenstadt Leiden. Mein Vater ist niederländischer Kaufmann und war lange bei der Ostindischen Kompanie (VOC) beschäftigt. Eines Tages erhielt er das Angebot, in der Handelsniederlassung Dejima eine neue Aufgabe zu übernehmen." - "Ich habe noch nie von einem Ort Dejima gehört - wo ist das ?" fragt ein Kommilitone. Petrus antwortet: "Stell dir ein Kaiserreich vor, das sich von der Welt komplett abschottet. Niemand darf hinaus, kein Fremder hinein. Und doch bietet ein schmales Fenster Einblick in diese nationale Festung: eine künstliche, ummauerte Insel in einem Hafen des Landes, bewohnt von einer Handvoll niederländischer Händler. Das Land heißt Japan, der Hafen Nagasaki und die kleine Inselfestung Dejima, die entstand so um 1630. Mein Vater hoffte in der holländischen Kolonie sein Glück zu machen. Heute ist er ein vermögender Mann. Damals verliebte er sich in meine japanische Mutter. Das Ergebnis sitzt jetzt vor dir. Ich bin froh, dass es meinem Vater gelang, mich in die Niederlande zu bringen, um hier in Duisburg zu studieren", fügt Peter erleichtert hinzu. "Das war nicht einfach. Wer Japan verlässt, wird streng bestraft und muss mit der Hinrichtung rechnen".

Zur historischen Einordnung: Japan riegelte sich Anfang des 17. Jahrhunderts gegenüber der gesamten Welt ab, wehrte sich rigoros gegen fremde Einflüsse. Christen wurden brutal verfolgt und zum Abschwören gezwungen. Die letzten portugiesischen Missionare wurden aus Japan gnadenlos verfolgt und vertrieben. Allein der Niederländischen Ostindien-Kompanie wurde ein Handelsstützpunkt im Hafen von Nagasaki gestattet, den sie nicht verlassen durften. Die protestantischen Holländer hatten kein Interesse an der Mission - der Handel war ihnen wichtiger.

Der Handelsstützpunkt der Vereinigten Ostindischen Kompanie (VOC) wurde zum Umschlagspunkt für den europäischen Seehandel mit Japan. Die holländischen Pioniere hatten 1602 die VOC gegründet. Finanziert wurde der multinationale Konzern durch die Herausgabe von Aktien. Der winzige VOC-Handelsstützpunkt entwickelte sich während der Edo-Zeit zum Hotspot für den Kontakt Japan - Europa. Trotz der Abschottung Japans zwischen 1633 und 1853 herrschte ein reges Interesse am Westen, und die auf Dejima ansässigen Holländer lieferten den Japanern regelmäßig Bücher über Medizin, Naturphilosophie, Navigation, Karten und Militärtechnik, die eifrig studiert wurde. "Rangaku" (Hollandstudien) nennen das die Japaner. Sie hatten so einen direkten Draht zum Westen - ein streng kontrollierter Dialog für den Knowhow-Transfer.

Das war zu beiderseitigem Vorteil: Die Holländer brachten neben Büchern auch Waren wie Bier, Tomaten, Kaffee und - viel bestaunt - Knöpfe nach Dejima. Der Export von japanischen Gütern war dagegen offiziell untersagt. Verbote wurden aber häufig geschickt umgangen. Schmuggel ließ sich trotz harter Strafen nicht gänzlich verhindern. So gelangten japanisches Porzellan, Tee, Tuschezeichnungen, Setzlinge von Hortensien und Lackkunst nach Europa.

Da die Anwesenheit europäischer Frauen auf Dejima verboten war, gingen einige vermögende Niederländer eine Verbindung mit Japanerinnen ein, die Zugang zur Handelsniederlassung hatten. Wo zwei Kulturen aufeinandertreffen, bleibt oft die erotische Anziehung nicht aus. "Die geheimnisvollen Augen, die Kamelien im Haar - all das nehmen die Europäer als Sanftmut wahr ", so der Romanautor David Mitchell. Das blieb im geschilderten realen Fall nicht ohne Folgen. So kann sich heute die Duisburger Universität mit Fug und Recht darauf berufen, dass der erste japanische Student in Europa hier studierte. Der Eintrag Nr. 27 im Matrikelbuch der Alten Universität Duisburg aus dem Jahr 1655 beweist es.

Quelle Gernot Born / Frank Kopatschek: Die alte Universität Duisburg.

(RP)
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