Duisburg Ein "Fanal der Barbarei"

Duisburg · Der Duisburger Bibliotheksdirektor Dr. Jan-Pieter Barbian hielt am gestrigen 10. Mai in der Buchhandlung Scheuermann einen Vortrag über den Jahrestag der Bücherverbrennung im Jahr 1933.

Dr. Jan-Pieter Barbian, seit 1999 Direktor der Duisburger Stadtbibliothek, gehört zu den wenigen Wissenschaftlern, die an der Schnittstelle von Geschichts- Politik- und Literaturwissenschaft über die Literaturpolitik im NS-Staat geforscht haben. Seine ausgezeichnete Doktorarbeit über dieses Thema veröffentlichte er in aktualisierter Fassung im Fischertaschenbuch-Verlag. Eine englische Übersetzung erschien 2013 im angesehenen Bloomsbury Verlag. Gestern Abend sprach er in der Buchhandlung Scheuermann über die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933. Barbian setzte seinem Vortrag das berühmte Heine-Wort voran: "Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen." Dieses Zitat aus dem Jahr 1821 habe sich in den Jahren 1933 bis 1945 auf grauenhafte Weise bewahrheitet.

Barbian skizzierte zunächst prägnant, wie es zu diesem "Fanal der Barbarei" kam. Die Übertragung des Reichskanzleramtes auf Adolf Hitler am 30. Januar 1933 löste einen Prozess der "Gleichschaltung" und Selbstanpassung aus, der binnen weniger Monate alle Bereiche der deutschen Gesellschaft erfasste. Barbian erwähnte das Ermächtigungsgesetz, das neben vielen anderen Grundrechten auch das auf freie Meinungsäußerung beseitigte. Mit dem Aufbau von neuen staatlichen Behörden und parteiamtlichen Dienststellen wurden im Verlauf des Jahres 1933 die permanente Kontrolle und Steuerung des kulturellen Lebens institutionalisiert. Barbian: "Kaum ein anderes Ereignis markiert die radikale kulturpolitische Wende, die mit der nationalsozialistischen Machtübernahme verbunden war, so einprägsam wie die 'Aktion wider den undeutschen Geist', als deren Höhepunkt am 10. Mai die Bücherverbrennungen im gesamten Deutschen Reich inszeniert wurden." Politisch eingeleitet wurde die Bücherverbrennung am 6. April 1933 durch die Gründung eines "Hauptamtes für Presse und Propaganda bei der Deutschen Studentenschaft". Bald darauf wurden die Studentenschaften über eine bevorstehende "Aktion" informiert, bei der es um die "öffentliche Verbrennung jüdischen zersetzenden Schrifttums" durch die Studentenschaften geht. Im selben Schreiben wurden die Studenten aufgefordert, aus der eigenen Bibliothek und aus der Bibliothek von Freunden und Bekannten die sogenannte "jüdische Zersetzungsliteratur" auszusondern. Zugleich sollte der Prozess der "Reinigung der Bibliotheken" beginnen.

Die Deutsche Studentenschaft habe sich, so Barbian, als eine Art "geistige SA" verstanden. Erschütternd sei, dass auch renommierte Professoren bei der Bücherverbrennung mitwirkten, darunter so berühmte Germanisten wie Benno von Wiese, Gerhard Fricke und Hans Naumann. Zur Vorbereitung des "Verbrennungstages" wurden von zwei Bibliothekaren, die sich der NSDAP angeschlossen hatten, "Schwarze Listen" mit knapp 100 Autorennamen zusammengestellt. Es kam zu Durchsuchungen von wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken. Auch aus Buchhandlungen, Leihbüchereien und Privatbibliotheken wurden Bücher von angeschwärzten Autoren durch sogenannte "Kampfausschüsse" entnommen. Die Schwarzen Listen wurden fortlaufend aktualisiert; die Entnahme der zu verbrennenden Bücher geschah, wie Barbian sagte, nach einem "aufwendigen bürokratischen Formalismus, der sich außerordentlich merkwürdig neben dem propagierten revolutionären Erneuerungselan ausnimmt". Insgesamt fanden 1933 deutschlandweit 93 Bücherverbrennungen statt. Besonders in Erinnerung blieb die Verbrennung auf dem Opernplatz in Berlin, wo am späten Abend des 10. Mai rund 20.000 Bücher unter professioneller Anleitung einer eigens beauftragten pyrotechnischen Firma verbrannt wurden.

Barbian zitierte, gewissermaßen als kleinen Lichtblick in diesem düsteren Kapitel, einen Augenzeugen, der beobachtete, dass die Studenten auf den Lastwagen mit Büchern, die verbrannt werden sollten, eifrig nach pikanten Werken suchten und für sich zur Seite legten...

Ein trauriges Fazit sei, so Barbian, dass keiner der geistigen Brandstifter, die Deutschlands Kultur und seine Zivilisation nachhaltig ruiniert haben, nach 1945 zur Rechenschaft gezogen wurden. Umso wichtiger sei die Wiederentdeckung der 1933 verbrannten Bücher ebenso wie die der im Exil entstandenen Literatur deutscher Schriftsteller. Barbian schloss mit einem Appell, der zum Ort seines Vortrags passte: "Sie alle sind eingeladen, die verbrannten Bücher zu lesen!"

(pk)
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