Duisburg Ehrenamtliche wollen Gemeinden leiten

Duisburg · Wie Katholiken in ihren Gemeinden auch Leitungsverantwortung übernehmen können, war Thema einer "Denkbar"-Veranstaltung in der Gemeinde St. Barbara, die inzwischen eine Pilot-Gemeinde ist.

 Angelika Hoffmann ist Vorsitzende des Fördervereins der St.-Barbara-Gemeinde und arbeitet dafür rund 40 Stunden in der Woche.

Angelika Hoffmann ist Vorsitzende des Fördervereins der St.-Barbara-Gemeinde und arbeitet dafür rund 40 Stunden in der Woche.

Foto: Alexandra Roth/Bistum Essen

Am Ende schallt das Lied vom "Abenteuerland" durch die St. Barbara-Kirche in Duisburg-Röttgersbach. Nach fast drei Stunden Präsentationen und Diskussionen über ehrenamtliche Katholiken, die selbst ihre Gemeinden leiten, trifft dieser Song den Nerv vieler der mehr als 120 Besucher dieser "Denkbar". Eine Gemeinde, in der Ehrenamtliche nicht mehr nur fürs Kuchenbacken und den Grillstand am Gemeindefest zuständig sind, sondern echte Leitungsverantwortung übernehmen - dass hat für viele Katholiken schon etwas Neues, Ungewisses, eben Abenteuerliches. Schließlich sind viele Christen im Ruhrbistum in einer Zeit aufgewachsen, in der hauptamtliche Pastöre, Kapläne, Gemeinde- oder Pastoralreferenten die zentralen Figuren der Kirche vor Ort waren - und Ehrenamtliche nur unterstützend tätig.

Auch in Zukunft soll und wird es in den Kirchengemeinden nicht ohne Hauptamtliche gehen. Diese zentrale Botschaft stellt Roman Blaut, Ehrenamtsreferent des Ruhrbistums, bei der "Denkbar", dem neuen Diskussions-Format des Ruhrbistums, gleich mehrfach klar. Viele Ehrenamtliche wünschten sich Hauptamtliche, die sie stärken und unterstützen.

Doch weil einerseits die Zahl der Hauptamtlichen sinken wird und sich andererseits das Selbstverständnis vieler Ehrenamtlicher gewandelt hat, beginnen sich schon jetzt hier und dort Gemeinde-Strukturen zu verändern - hin zu mehr Verantwortung für Ehrenamtliche. "Ehrenamtsentwicklung geht nicht ohne Kirchenentwicklung", betont Blaut.

Bislang passiert dies indes selten von oben verordnet: In St. Barbara war 2012 der Beschluss, die Kirche zu schließen und künftig dort kein Personal mehr zu stellen, Auslöser dafür, dass sich nicht nur ein Förderverein gebildet hat, sondern gleich ein fünfköpfiges Leitungsteam. Aufgeteilt in die Bereiche Liturgie, Verkündigung, Diakonie, Gemeinschaft und Finanzen werden sie gemeinsam mit Dutzenden weiteren Ehrenamtlichen und unter dem Dach der Pfarrei St. Johann künftig weitgehend allein das Gemeindeleben organisieren, wenn Pastor Thomas Pulger St. Barbara im September verlässt.

"Wie können wir als Kirche vor Ort weiter leben?" sei die zentrale Frage für das neue Leitungsteam gewesen, berichtet Pulger den "Denkbar"-Gästen. Er ist zuversichtlich, dass die fünf Ehrenamtlichen darauf künftig auch ohne seine Hilfe die für Röttgersbach und Umgebung passenden Antworten geben werden. Dabei stecken die Männer und Frauen, die sich zunächst für drei Jahre verpflichtet haben, die bistumsweit bislang erste Gemeinde dieser Art als Projekt zu leiten, viel Zeit und Herzblut in ihre Arbeit. Im Schnitt zehn Stunden pro Woche investieren sie in ihr Ehrenamt - und die Arbeit der Fördervereins-Chefin Angelika Hoffmann ist mit "rund 40 Stunden pro Woche" wohl eher ein unbezahltes Hauptamt.

Im Bistum Osnabrück gibt es bereits seit 2014 ein Konzept für Ehrenamtliche in Gemeindeleitung. Dort ersetzen eigens geschulte Männer und Frauen in neuen Gemeindeteams nicht die bisherigen Strukturen von Pfarrgemeinderat oder Kirchenvorstand, sondern ergänzen sie durch neue Sichtweisen auf die Menschen, die in der Gemeinde leben, berichtet Nicole Muke den "Denkbar"-Gästen. Dabei gehe es "nicht darum, alte Strukturen wiederzubeleben, sondern den Lebensraum neu wahrzunehmen", sagt die Koordinatorin für den Bereich Gemeindeentwicklung in der norddeutschen Diözese. Während sich viele Gemeinde-Gremien damit quälten, das "Wie" der Gemeindearbeit zu organisieren - Wie kann die Prozession organisiert werden?

Wie kann das Gemeindefest laufen? - stehe in den Gemeindeteams das "Was" im Fokus. "Wir fragen uns immer als erstes: Was wollen wir eigentlich als Gemeinde erreichen, was wollen wir den Menschen mitteilen?", erläuterte Gregor von Wulfen, Mitglied eines Gemeindeteams in Fürstenau bei Ibbenbüren. "Das 'Wie' kommt dann meist fast von alleine."

Im Ruhrbistum ist die Frage nach ehrenamtlichen Gemeindeleitungen seit dem vergangenen Sommer Thema eines eigenen Zukunftsbild-Projekts. Unter der Leitung von Ehrenamts-Experte Blaut soll die Projektgruppe bis Sommer 2018 möglichst konkrete Ergebnisse und Empfehlungen für die Bistumsleitung erarbeiten. Blaut unterstreicht Mukes Eindruck eines "bundesweiten Prozesses, der nicht mehr aufzuhalten ist"; auch im Ruhrbistum gebe es neben St. Barbara "mehrere Gemeinden, die sich entsprechend auf den Weg machen". Diese Entwicklungen werde die Projektgruppe begleiten, um aus den Erfahrungen für das ganze Bistum zu lernen. Und das "Abenteuerland" St. Barbara dürfte dabei ganz besonders im Fokus stehen.

(tr)
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